Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Leuchtende Biofasern

Alex Deitermann will Baumwolle fälschungssicher machen. Seine Firma Tailorlux hat Mittelständler ebenso wie Dax-Konzerne als Kunden. Nun entdeckt er die Kleinbauern.

Von Caspar Dohmen

Alex Deitermann blieb der Landwirtschaft immer verbunden, obwohl sich der gelernte Landwirt in seinem Berufsleben weit vom Feld entfernt hat. Der 59-Jährige, auf einem kleinen Bauernhof mit hundert Zuchtsauen im münsterländischen Mesum aufgewachsen, hat mehrere Unternehmen gegründet, zuletzt 2010 Tailorlux. Die Firma stellt winzige Farbpartikel her, die sich in Produkte integrieren lassen, um das Original von einer Fälschung unterscheiden zu können. Zur Kundschaft zählen Mittelständler genauso wie Dax-Konzerne.

Neuerdings hat es Deitermann aber der Nutzen des Verfahrens für Kleinbauern angetan, die Biobaumwolle anbauen. Sie wirtschaften nachhaltig, was viel Arbeit macht. Aber die Erzeuger erhielten keinen angemessenen Lohn für den Mehraufwand, sagt Deitermann: "Das ist nur möglich, weil Biobaumwolle bisher praktisch nicht von konventioneller Baumwolle unterscheidbar ist und deshalb sehr einfach ausgetauscht oder verschnitten werden kann. Solchen Schwindel wollen wir helfen aufzudecken."

Die Produktionskette von Textilien ist lang. Sie reicht vom Baumwollfeld über Entkörnungsanlagen, Spinnereien und Webereien bis zur Konfektion der Waren. Überall lässt sich Biobaumwolle mit konventionellen Fasern strecken. Deitermann will am Anfang ansetzen und den biologisch erzeugten Baumwollfasern eine winzige Menge Farbpigmente zusetzen. Wenn man die Fasern dann mit einem zigarettengroßen Leuchtstift bescheine, leuchten die Pigmente mit einem Farbspektrum, das eindeutig zugeordnet werden könne. "So ermöglichen wir, die Herkunft jedes einzelnen Fadens zu bestimmen", sagt Deitermann.

Das Vorhaben des Mittelständlers wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert. Ein unabhängiger Gutachter habe die Methode als fälschungssicher eingestuft, sagt Deitermann: Weil der optische Code anders als ein elektronischer Code keine Daten speichere, lasse sich die Variante von außen nicht manipulieren.

Beeindruckt hat Deitermann der Zusammenschluss Chetna Organic, dem 35 000 Farmerfamilien aus mehr als 500 Dörfern in den indischen Staaten Odisha, Maharashtra und Telangana angehören. Vizepräsidentin ist Bheem Bai, deren Mann sich vor Jahren wegen Schulden umbrachte, indem er Pestizide trank. Das ist kein Einzelschicksal in Indien. Aber die Witwe gab nicht auf, sondern verschrieb sich einer nachhaltigen Landwirtschaft. Auf ihren Feldern und denen der anderen Kooperativen-Mitglieder wachsen neben Baumwolle jetzt auch Gemüse und andere Feldfrüchte, von denen sie sich ernähren können.

Deitermann hat gesehen, was die Familien auf ihrem Land von durchschnittlich einem Hektar erreichen. Er weiß aber auch, dass die Kleinbauern im Wettbewerb gegen subventionierte Großfarmer etwa aus den USA weitere Unterstützung brauchen, damit sie dauerhaft eine Chance haben. Eigentlich, sagt er, müssten die "Kleinbauern-Gemeinschaften vom volatilen und von ihnen unbeeinflussbaren Weltmarktpreis abgekoppelt werden", so wie etwa bei Bioland in Deutschland. Hier wüssten die Bauern schon heute ziemlich genau, welchen Preis sie für ihre Erzeugnisse im nächsten Jahr erhalten. Nur dann - so ist er überzeugt - würden Klein- und Biobauern dauerhaft eine umweltschonende Landwirtschaft betreiben und den Anteil gegenüber konventionellem Anbau erhöhen können.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2018
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