Nahaufnahme:Kreativ am Küchentisch

Nahaufnahme: Anna Hoffmann: "Ich finde es sehr positiv, dass wir es zusammen durchstehen, wenn mal etwas nicht so einfach ist."

Anna Hoffmann: "Ich finde es sehr positiv, dass wir es zusammen durchstehen, wenn mal etwas nicht so einfach ist."

(Foto: OH)

Ehepaare haben es als Gründer oft schwerer, weiß Anna Hoffmann. Sie hatte mit ihrem Mann eine Idee - und mittlerweile ein Geschäft.

Von Kathrin Werner

All ihre Investoren sind Männer. Viele Gründerinnen sehen es als Nachteil, dass ganz überwiegend Männer darüber entscheiden, welche Start-ups Geld bekommen. Für Anna Hoffmann war das nie ein Problem. Nie habe sich einer gewundert, dass eine Frau wie sie in einem technischen Beruf arbeitet, sagt sie. Eine andere Sache aber stört die Investoren manchmal schon: Hoffmann und ihr Mitgründer Arasch Jalali, beide 34, sind miteinander verheiratet. Und Ehepaare als Gründer sind nicht beliebt bei Geldgebern, es gibt ja ein doppeltes Risiko: Ehen können scheitern, Unternehmen auch - scheitert das eine, scheitert vermutlich auch das andere. "Ich sage dann immer, dass wir leider nichts daran ändern können", sagt Hoffmann. "Und wir sind ja auch nicht seit gestern verheiratet."

Als Hoffmann und Jalali 2012 ihr Unternehmen Profishop ins Leben riefen, hatten beide sichere Jobs. "Aber ich dachte: Wann, wenn nicht jetzt", erzählt sie. Also kündigte sie und stürzte sich ins Gründen. Am Küchentisch schmiedeten sie gemeinsam Pläne für Profishop, das ganze Startkapital kam von ihnen. Profishop ist eine Shopping-Website für Unternehmenskunden. Handwerksbetriebe, Industrieunternehmen, Büros oder Labore können bei Profishop alles kaufen, von der Fräsmaschine oder Autohebebühne bis zu Reagenzgläsern oder Klemmbrettern im Zehnerpack.

Inzwischen haben sie rund 50 Mitarbeiter, das Geschäft verdoppelt sich jedes Jahr. Nach und nach haben sie auch Geldgeber gefunden, trotz Ehe. "Man muss den Bedenken der Investoren schnell den Wind aus den Segeln nehmen", sagt Hoffmann. "Das Problem ist, dass es für sie ungewohnt ist. Aber dem muss man selbstbewusst begegnen." Sie sieht es sogar als Vorteil, mit ihrem Mitgründer verheiratet zu sein. "Es gibt wahrscheinlich keine andere Gründerkonstellation, die sich so offen und ehrlich über das Unternehmen austauscht", sagt sie. "Und ich finde es sehr positiv, dass wir es zusammen durchstehen, wenn mal etwas nicht so einfach ist."

Wenn sie abends nach Hause kommt, stört es ihren Partner nicht, wenn sie nur von der Arbeit redet, es ist das Lieblingsthema von beiden. Einmal pro Woche planen sie bewusst einen Profishop-freien Abend und ab und zu auch ein freies Wochenende. "Es ist ein Selbstläufer, immer über Profishop zu reden", sagt sie. "Ab und zu müssen wir bewusst sagen: Wir sind tolle Geschäftspartner, aber auch ein Ehepaar."

Die Ehepartner-Geschäftspartner-Kombination ist nicht das einzige Untypische. Auch die Rollenverteilung zwischen Hoffmann und Jalali entspricht nicht dem Klischee: Sie leitet die technische Infrastruktur und Ausstattung des Unternehmens als sogenannter Chief Technology Officer (CTO). Ihr Mann kümmert sich um das Kaufmännische und ist Geschäftsführer. "Ich habe in der Schule nicht gedacht, dass ich mal CTO werden möchte", sagt Hoffmann, die internationale Betriebswirtschaftslehre studiert hat. "Wir haben einfach danach entschieden, wer was besser kann. Und ich interessiere mich eben für Technik, bin sehr genau und arbeite mich in so etwas rein. Die meisten Fähigkeiten lernt man sowieso beim Machen."

Viele Geschäftspartner sind skeptisch, dass die Technikchefin eine Frau ist. "Ich habe fast ausschließlich mit Männern zu tun", sagt Hoffmann. "Da muss ich mir meinen Rang leider meistens erst erkämpfen, wir starten nicht auf Augenhöhe." Sie habe sich ein dickes Fell zugelegt und ärgere sich nicht mehr über Sprüche oder Überheblichkeit. "Am Anfang habe ich mich zu viel von Männern mit Erfahrung beeindrucken oder kleinreden lassen", sagt sie. "Hinterher dachte ich dann oft, dass mein Gegenüber doch gar nicht mehr weiß als ich. Inzwischen habe ich alle Angst abgelegt, belächelt zu werden."

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