Nahaufnahme:Knowhow aus der Kita

Nahaufnahme: Anne Fischer: "Wenn die Kommunikation wegen der Arbeit im Homeoffice abflacht, sind soziale Kompetenzen gefragt."

Anne Fischer: "Wenn die Kommunikation wegen der Arbeit im Homeoffice abflacht, sind soziale Kompetenzen gefragt."

(Foto: Gruber Logistics/oh)

Anne Fischer führte schon mit 22 Jahren ein Team bei einem Logistikunternehmen.

Von Franziska Nieß

Eigentlich wollte Anne Fischer Erzieherin werden. Daraus wurde nichts. Aber die nötige Portion Sozialkompetenz, um ein Team zu führen, wendet Fischer nun bei dem Logistikunternehmen Gruber an. Seit Juni leitet die 26-Jährige die größte Auslandsniederlassung des Südtiroler Familienunternehmens in Kreuztal, Nordrhein-Westfalen mit 55 Mitarbeitern. Zuvor war sie in Kreuztal als Abteilungsleiterin für die Kundenbetreuung zuständig und übernahm im vergangenen Jahr zusätzlich die Verantwortung für die Deutschland-Verkehre. Diese Funktion, in der sie 45 Fahrer und ihre Lkw managt, übt sie nach wie vor aus. Und schon 2016, mit gerade mal 22 Jahren, führte sie bei Gruber Logistics ihr erstes Team. Verantwortung zu übernehmen, macht ihr keine Angst. "Ich bin selbstbewusst und kann offen auf Menschen zugehen." Aber sie schätzt auch ihr starkes Team im Rücken, die familiäre Umgebung, direkte Wege.

Dass die Logistik nach wie vor als Männerdomäne gilt, findet sie schade. Nach Angaben der Bundesvereinigung Logistik wird die Branche häufig mit körperlicher Arbeit in Verbindung gebracht und sei daher bei Frauen unbeliebt. "Durch die Digitalisierung verändern sich aber die Tätigkeiten und wir bekommen mehr Bewerbungen von Frauen", sagt Fischer. An der Deutschen Außenhandels- und Verkehrsakademie stieg der Frauenanteil im Bachelorstudiengang Logistikmanagement in den vergangenen zehn Jahren immerhin auf rund 30 Prozent.

Fischer hat nicht studiert, sondern eine Ausbildung zur Speditionskauffrau absolviert. Sie schließt nicht aus, mal ein Studium zu beginnen, fühlt sich aber auch ohne akzeptiert. Wegen der offenen Unternehmenskultur sei es nie ein Thema gewesen, dass sie als junge Frau an der Spitze steht. Von Klischees und stereotypen Rollenbildern hält sie ohnehin nichts. Bei Gruber seien die Teams gut gemischt, wobei ihre Abteilungsleiter dann doch allesamt männlich sind. "Für mich hängt ein guter Führungsstil aber nicht vom Geschlecht, sondern von der Persönlichkeit ab." Sie setzt auf einen kooperativen Führungsstil und flache Hierarchien. Besonders in Krisenzeiten wie diesen sei mehr Empathie und weniger Autorität angebracht. "Wenn die Kommunikation wegen der Arbeit im Homeoffice abflacht, sind soziale Kompetenzen gefragt."

Ihren Start in der neuen Funktion mitten in der Corona-Zeit hat sie sich natürlich anders vorgestellt. Obwohl die Kernkompetenz unter anderem auf Transporten von und nach Italien liegt, sei Gruber bisher gut durch die Krise gekommen. In diesem Jahr feiert die Logistikerin schon ihr zehnjähriges Firmenjubiläum. 2010 absolvierte sie bei Gruber ein Praktikum, ein Jahr später begann ihre Ausbildung. Für die heutige Zeit mag es ungewöhnlich klingen, noch nie den Arbeitgeber gewechselt zu haben. Doch sie hat nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. "Ich bin ja nicht stehengeblieben, sondern habe mich ständig weiterentwickelt."

Mit ihrer Geschichte will sie andere junge Frauen ermutigen, sich ebenfalls früh auf Führungspositionen zu bewerben. Ihrer Ansicht nach hat sich ihr Karriereweg natürlich entwickelt und sie versteckt sich nicht hinter ihren Erfolgen. Aber es fällt ihr noch schwer, über sich und ihre Geschichte zu sprechen. Eben weil ein Schritt auf den anderen folgte und sie es gar nicht ungewöhnlich findet, mit 26 Jahren schon so viel Verantwortung zu haben. Ob sie die Karriereleiter bei Gruber weiter hochklettern will, weiß sie momentan noch nicht. "Erst mal laufen lernen, bevor man losrennt", lautet ihre derzeitige Einschätzung. Das Knowhow aus dem Kindergarten lässt sich eben überall anwenden.

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