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Nahaufnahme: Yara Jentzsch Dib: „Ich kann nicht behaupten, dass ich es erfunden habe, aber durch mein Design ist das Produkt durch die Decke gegangen."

Yara Jentzsch Dib: „Ich kann nicht behaupten, dass ich es erfunden habe, aber durch mein Design ist das Produkt durch die Decke gegangen."

(Foto: Bahar Kaygusuz)

Yara Jentzsch Dib setzt mit Handy-Kordeln derzeit eine Million Euro um. Mit ihrer Idee hat sie einen veritablen Modetrend mit ausgelöst.

Von Ekaterina Kel

Was im Französischen der Chouchou, ist im Portugiesischen der Xouxou: der Liebling. Diesen Kosenamen hat die Halbbrasilianerin Yara Jentzsch Dib ihrem ersten Sohn gegeben. Vor drei Jahren, kurz nach seiner Geburt, war Xouxou ihr meistgenutztes Wort, sagt sie. Inzwischen hat es für die 32-Jährige eine andere Bedeutung, viel genutzt wird es sicherlich trotzdem - es ist der Name ihrer Marke, mit der sie im vergangenen Jahr eine Million Euro Umsatz machte.

Was Jentzsch Dib verkauft, ist bloß ein Produkt, dafür aber eines, das in Deutschland einen veritablen Modetrend ausgelöst hat: die Handykette. Damit das Smartphone nicht mehr in den Untiefen der Handtasche verschwinden oder erst aus der Hosentasche herausgeklaubt werden muss, baumelt es nun immer öfter bei modebewussten Menschen kopfüber um den Oberkörper herum. Zwei Haken an der Handyhülle und eine Klemme dienen zur Befestigung, ansonsten besteht die Handykette hauptsächlich aus einer Kordel, die Jentzsch Dib vor drei Jahren aus Frust über das ständige Handysuchen und in Ermangelung an Zeit und Händen, die mit dem Neugeborenen beschäftigt waren, selbst knüpfte. Die Technik heißt Makramee, Jentzsch Dib hat sich das Knüpfen mithilfe von Youtube-Tutorials "zu therapeutischen Zwecken" selbst beigebracht.

Sie knüpfte einen Überwurf fürs Babybett, dann die angesagten Pflanzenaufhänger, es lief als Hobby nebenher. Erst mit den Handyketten wurde es zum Geschäft. Im Frühjahr 2018 erklärten Zeitschriften wie Glamour und Instyle sie zum Modetrend, seitdem bestellten so viele die Ketten, die zwischen 19 und 63 Euro kosten, dass ihre Macherin manchmal überfordert gewesen sei. Sie habe immer bloß auf die wachsende Nachfrage reagiert. Die Verkäufe hätten sich allein im vergangenen Jahr jeden Monat verdoppelt.

Ihren Erfolg erklärt die Berlinerin mit dem richtigen Timing: "Die Menschen sind bereit, sich ihre Handys umzuhängen." Und sie steht gemeinsam mit ihrem Freund, der mittlerweile miteingestiegen ist, bereit, um die Willigen zu versorgen.

Aber nicht sie allein. Jede Menge Hersteller bieten nahezu identische Produkte an, von billigen Nachahmungen bis zur Luxusanfertigung. "Der Kuchen ist ziemlich groß", sagt Jenztsch Dib. Die Designerin Samja Schröder zum Beispiel, mit ihrem Label Blueandtrue, ist eine der bekanntesten Konkurrenten. Auch sie wirbt damit, selbst auf die Idee gekommen zu sein. Ein Erfinder im eigentlichen Sinne wird sich wohl niemals finden. Jentzsch Dib konnte die Handykette jedenfalls nicht patentieren lassen, dafür erfülle das Produkt nicht die nötigen Kriterien. "Ich kann nicht behaupten, dass ich es erfunden habe, aber durch mein Design ist das Produkt durch die Decke gegangen", so Jentzsch Dib.

Studiert hat die Berlinerin Schauspiel und Filmwissenschaften. Wie die Marktmechanismen funktionieren, lernte sie erst, als sie fürs Weihnachtsgeschäft 2017 gezwungen war, einen langen Tisch bei sich zu Hause aufzustellen, und die Herstellung in 18 Schritte einzuteilen - die Arbeitsteilung beschleunigte die Produktion enorm. Später übernahm eine inklusive Werkstatt die Fertigung bis zum Versand. Inzwischen erledigt ein Fulfillment Center diese Arbeit.

"Nun", sagt sie, "haben wir ein Schiff, das fährt". Und auch Zeit, über die Zukunft nachzudenken. Vielleicht ja die Erkundung neuer Märkte? Oder überhaupt mal "weiterspinnen, was Xouxou noch alles sein kann", falls der Trend nicht überlebt. In jedem Fall sagt Jentzsch Dib, die gleichzeitig zur Geschäftsfrau auch zweifache Mutter geworden ist: "Xouxou ist wie mein drittes Kind. Es braucht viel Aufmerksamkeit und viele Nannys."

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