Nahaufnahme:Jay und das Glück

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"Anfangs wollte ich gar nicht an große Kunden verkaufen. Ich dachte, die sagen, wer bist Du denn, ich kenne Dich nicht", sagt Jay Chaudhry, Gründer von Zscaler. (Foto: oh)

Jagtar Chaudhry hätte wie seine Eltern Kleinbauer werden können. Doch mit Begabung, Fleiß und Unterstützung zur rechten Zeit überwand er viele Hürden. Wie ein indischer Bauernsohn zum Software-Milliardär wurde.

Von Helmut Martin-Jung

Aus Jagtar Chaudhry hätte das werden können, was auch seine Eltern waren: Bauern in der kargen Himalaja-Region nahe der Grenze zu Nepal. Doch Chaudhry, 60, nennt sich heute nicht bloß Jay, was Amerikaner leichter aussprechen können. Er ist seit dem Börsengang seiner jüngsten Firmengründung, dem Internet-Sicherheits-Unternehmen Zscaler, auch mehrfacher Milliardär. "Es war Glück und harte Arbeit", sagt Chaudhry selbst über sich und seinen Aufstieg. Wenn man mit dem drahtigen Mann spricht, gewinnt man den Eindruck, dass es eher so war: Chaudhry hat sich sein Glück hart erarbeitet.

Der studierte Informatiker war schon immer wissbegierig, ehrgeizig und fleißig. Einmal fragte er, noch in der Schule, einen Lehrer, ob der ihm nicht irgendwie helfen könnte: Er hätte gern Bücher, die eigentlich fürs College gedacht waren. Der Lehrer: "Kauf sie, wenn du sie nicht mehr brauchst, kommen sie in die Bibliothek." Immer wieder traf er auf Menschen, die seine Begabung erkannten und förderten. So kam er auch auf die Uni, in eines der Indian Institutes of Technology. "Das war ein größerer Schock für mich als später der Wechsel auf eine amerikanische Uni."

Er setzte sich aber auch hier durch und ging dann zum Masterstudium in die USA. Für den Flug, den sich seine Eltern nicht hätten leisten können, bekam er ein Stipendium. Seinen Master machte er in Cincinnati, weil er dort keine Studiengebühren bezahlen musste. Nach der Uni gründete er vier Unternehmen, alle mit Fokus auf Computersicherheit, und verkaufte sie nach einigen Jahren erfolgreich wieder.

Sein jüngstes, das fünfte Baby, möchte er allerdings selbst großziehen. "Als ich Zscaler 2008 gründete, habe ich mir vier Fragen gestellt", sagt er. "Erstens: Wird mehr Information online sein? Zweitens: Werden mehr Anwendungen aus der Cloud angeboten werden? Drittens: Werden wir mehr mobil erledigen? Viertens: Wenn mehr und mehr Dienste in die Cloud wandern, wird das dann auch ein höheres Sicherheitsrisiko darstellen?" Die Antwort war natürlich viermal ein klares Ja.

Rein cloudbasierte Unternehmen wie Salesforce waren damals zwar noch sehr klein. Doch die Zeit arbeitete für ihn. Mehr und mehr Firmen mussten ihren Filialen rund um den Globus Zugang zu den Daten des Unternehmens gewähren, doch mit der herkömmlichen Art, alles über die wenigen Rechenzentren der Firmen laufen zu lassen, waren die Antwortzeiten viel zu lang, weil die Rechenzentren Flaschenhälse waren. Andererseits war das aus Sicherheitsgründen notwendig.

Da kam die Idee von Chaudhry gerade recht. Seine Software ist verteilt auf viele Rechenzentren in der Welt, mit anderen Worten: Sie ist in der Cloud. Die Firmen können die Daten ihrer Filialen zum jeweils nächsten Rechenzentrum schicken, und dort wird der Netzverkehr unter die Lupe genommen. Werden etwa vertrauliche Dateien verschickt? Steckt ein Trojaner in einer Mail? Werden große Datenmengen an ungewöhnliche Empfänger verschickt? Es ist an den Kunden, die jeweils für sie gültigen Filter festzulegen.

"Anfangs wollte ich gar nicht an große Kunden verkaufen", sagt Chaudhry, "ich dachte, die sagen, wer bist du denn, ich kenne dich nicht." Doch es zeigte sich, dass auch bei großen Unternehmen die Absicherung ihrer Cloud-Aktivitäten ein derart drängendes Problem war, dass sie sich von sich aus an Zscaler wandten.

Ruhe findet der rastlose Unternehmer in der Familie, auch die Eltern hat er längst in die USA geholt. "Die haben keine Ahnung, was ich da mache", lacht er. Ein bisschen scheint sein Ehrgeiz aber abgefärbt zu haben. Seine Mutter, die nie eine Schule besucht hatte, beschloss mit über 60 lesen zu lernen.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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