Nahaufnahme:Immer durchhalten

Nahaufnahme: "Wenn jemand erwartet hat, wir lüften einen Hut, darunter sitzt der weiße Hase, und alles ist auf einmal anders, muss ich ihn enttäuschen." Marcus Schenck.

"Wenn jemand erwartet hat, wir lüften einen Hut, darunter sitzt der weiße Hase, und alles ist auf einmal anders, muss ich ihn enttäuschen." Marcus Schenck.

(Foto: AP)

Finanzvorstand Marcus Schenck erklärt an diesem Donnerstag zum letzten Mal die Zahlen der Deutschen Bank. Er wird künftig die mit Abstand wichtigste Sparte des Hauses übernehmen.

Von Meike Schreiber

Der Zweck eines Empfangs ist es normalerweise, dass der Chef den Kunden die Hand schüttelt. "Tut mir leid, ich möchte Sie nicht anstecken", entschuldigt sich Marcus Schenck, der Finanzvorstand der Deutschen Bank, bei den Gästen, und lächelt gequält. Es ist der Neujahrsempfang des Geldhauses in München, gefeiert wird im Schloss Nymphenburg. Wie schlecht es ihm tatsächlich geht, sieht man erst, als er das Podium betritt: Er verstaut eine Plastiktüte im Fach unter dem Rednerpult, "für den Fall dass doch etwas schief geht", wie er sagt. Und dann zieht er die Rede durch. Einen Termin absagen, das kommt für einen wie Schenck nicht in Frage.

Wenn der 51-Jährige an diesem Donnerstag ab halb acht Uhr morgens den Anlegern die Quartalszahlen der Deutschen Bank erklärt, wird er wohl keine derartigen Hilfsmittel brauchen - auch wenn einem bei den Verlusten der Bank zuweilen durchaus schlecht werden kann.

Immerhin aber ist es wohl das letzte Mal, dass er als Finanzchef durch unschöne Details führen muss. Sobald ein Nachfolger für ihn gefunden ist, wird Schenck die Verantwortung für das Investmentbanking des Geldhauses übernehmen - die mit Abstand wichtigste Sparte. Er muss sie wieder flott machen, ohne aber die Skandale zu wiederholen. Sein Vorgänger auf diesem Posten, Jeff Urwin, hatte überraschend hingeschmissen. Seit März ist Schenck zudem Stellvertreter von Vorstandschef John Cryan, zusammen mit Privatkundenchef Christian Sewing. Cryan hatte selbst um Entlastung gebeten - so die offizielle Lesart - womöglich wurde er aber auch von Investoren dazu gedrängt. Seither jedenfalls gelten Sewing und Schenck als Kronprinzen für den Chefposten von Deutschlands größter Bank. Cryans Vertrag läuft im Jahr 2020 aus.

Noch merkt man Schenck nicht an, dass auf ihm nun die Erwartungen lasten: Kann er die Deutsche Bank führen, deren Schicksal im Krisenfall mit dem des ganzen Landes verbunden wäre? Gerade hat er die Kapitalerhöhung der Bank durchgezogen, und zwar "sehr ordentlich", wie ihm auch Konkurrenten bescheinigen. Aber auch er marschierte die vergangenen zwei Jahre mit Cryan in die falsche Richtung, hielt viel zu lange am Verkauf der Tochter Postbank fest. "Wenn jemand erwartet hat, wir lüften einen Hut, darunter sitzt der weiße Hase, und alles ist auf einmal anders, muss ich ihn enttäuschen", hat er einmal gesagt.

Wie Sewing gehört er einer neuen Generation Banker an. Er gilt als nahbar und unkompliziert. Hinter seinen - nun ja - leicht diabolischen Augenbrauen blitzt stets etwas Lausbubenhaftes hervor. Früher lief er auch schon mal in Socken durchs Büro, erzählt man sich. "Er ist unglaublich analytisch, aber anders als mit vielen kann man mit ihm auch über Sachen reden, die nichts mit der Bank zu tun haben", sagt ein Kollege. Über Fußball zum Beispiel (er ist FC-Bayern-Fan), über die Familie, die in Düsseldorf lebt, seine vier Kinder. Er selbst wuchs als Einzelkind auf. Geboren im Allgäu, zog er mit seinen Eltern innerhalb Deutschlands immer wieder um. Sein Vater war Pilot bei der Bundeswehr.

Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Bonn und Berkeley heuerte er zunächst bei McKinsey an. Beruflich geprägt wurde er aber von Goldman Sachs, wo er schon früh Konzerne bei Übernahmen beriet, in Rekordzeit zum Partner aufstieg und Paul Achleitner kennenlernte, seinen heutigen Aufsichtsratschef. Nach einer Zwischenstation als Finanzvorstand beim Energieunternehmen Eon, kehrte er zu Goldman zurück, bis ihn Achleitner Anfang 2015 zur Deutschen Bank holte. Sein früherer Chef, Alexander Dibelius, ließ sich kürzlich im Wall Street Journal zitieren: "Marcus hat das Potenzial zum Vorstandschef".

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