Nahaufnahme:Ideen unerwünscht

Nahaufnahme: "Das haben wir vergeigt. Leider werden wir unseren hohen Standards nicht immer gerecht." Randall Stephenson

"Das haben wir vergeigt. Leider werden wir unseren hohen Standards nicht immer gerecht." Randall Stephenson

(Foto: AFP)

Der amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T bügelt einen Kundenvorschlag mit der Rechtsabteilung ab.

Von Jürgen Schmieder

Wer Randall Stephenson nach der Lektüre der folgenden Geschichte gern etwas mitteilen möchte, dem sei hier schon mal seine E-Mail-Adresse mitgeteilt: rs2982@att.com. Doch Vorsicht, es könnte passieren, dass nicht der Geschäftsführer des amerikanischen Telekommunikationskonzerns AT&T darauf antwortet, sondern jemand aus der Rechtsabteilung - und dass dessen Botschaft nicht gerade freundlich daherkommt. Sensible Menschen sollten deshalb genau überlegen, ob sie Stephenson auf einen Fehler in seiner Firma hinweisen oder konstruktive Kritik üben möchten.

Alfred Valrie aus dem Städtchen El Sereno im Nordosten von Los Angeles ist Kunde von AT&T. Er wollte sich mit seiner Mail an Stephenson keinesfalls zum König krönen lassen - heute weiß schließlich jeder, dass der Kunde längst kein König mehr ist. Nein, Valrie hatte als langjähriger und zufriedener Premiumkunde ein paar vernünftige Ideen.

"Hallo, ich habe da zwei Vorschläge", schrieb er in seiner Mail: "Schreiben Sie mir bitte nicht zurück, das sind nur Ideen. Sie könnten unbegrenzte Daten für DSL-Kunden ermöglichen, vor allem für jene in Gegenden ohne Breitband-Verbindung. Und bitte führen Sie die SMS-Raten wieder ein wie etwa 1000 Textnachrichten für zehn Dollar oder 500 für sieben. Ihr lebenslanger Kunde, Alfred Valrie."

Nun mag der naive Leser glauben, dass sich ein Firmenchef eine Träne der Rührung von der Wange wischt, wenn sich ein Kunde als "lebenslang" identifiziert und sich auch noch um das Wohlbefinden des Unternehmens sorgt. Doch nicht Stephenson, 55, der ist aus härterem Holz geschnitzt. Valrie bekam eine E-Mail von Thomas Restaino, dem Chefberater von AT&T im Bereich des geistigen Eigentums. Die Firma beschäftige sich nicht mit unverlangten Einsendungen der allgemeinen Öffentlichkeit, heißt es in der Mail, sie endet mit den Worten: "Aus diesem Grund lehnen wir es bei allem Respekt ab, über Ihren Vorschlag nachzudenken." Der Kunde, so die klare Botschaft, soll sich gefälligst raushalten.

Okay, das alles kann ja ein Missverständnis sein, das Unternehmen wird einen geschätzten Kunden doch nicht derart vor den Kopf stoßen. "Wir hatten in der Vergangenheit immer mit Kunden zu tun, die unverlangt Ideen eingeschickt und danach gedroht haben, uns zu verklagen, weil wir ihre Ideen geklaut hätten", sagt Firmensprecherin Georgia Taylor: "Deshalb sind unsere Antworten ein bisschen formal und juristisch. Wir wollen uns nur schützen."

Wow, ein milliardenschweres Unternehmen muss sich also verteidigen gegen einen Kunden, der in einer E-Mail einen Vorschlag loswerden möchte - sie schickt gleich die Kavallerie in Form des Chefberaters im Bereich des geistigen Eigentums los. "Das haben wir schlicht und einfach vergeigt", sagt Stephenson nun, nachdem die Los Angeles Times mit einem Bericht für Empörung gesorgt hatte. Die oberste Priorität des Unternehmens sei es, Kunden wie Könige zu behandeln: "Leider werden wir unseren hohen Standards nicht immer gerecht."

John Legere dagegen war wohl der einzige Mensch in den USA, der sich nicht über das Verhalten von Stephenson empörte - im Gegenteil, der Chef von T-Mobile US amüsierte sich köstlich über den Fauxpas des Konkurrenten. "Wenn die ihre Ideen nicht haben wollen, dann nehmen wir sie gerne", schrieb er bei Twitter: "Ich bin täglich mit Kunden in Kontakt, um ihre Ideen aus erster Hand zu hören - das nennt man Leben im 21. Jahrhundert." Damit ihm das auch ja jeder glaubt, veröffentlichte er sogleich seine eigene E-Mail-Adresse: John.Legere@T-Mobile.com. Mal sehen, wer in den kommenden Tagen mehr Post bekommt.

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