Nahaufnahme:Hoffnungsträgerin

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"In einem anderen Land wären wir vielleicht schneller ans Ziel gekommen", sagt Antonella Folgori, Chefin des italienischen Biotech-Unternehmens Reithera. Sie arbeitet an einem Impfstoff gegen das neue Coronavirus. (Foto: Stefano Carofei/Imago)

Antonella Folgori soll Italien zu einem eigenen Covid-19-Impfstoff verhelfen. Doch es hakt am Geld - wie so oft in Rom.

Von Ulrike Sauer, Mailand

Unter den Bürofenstern von Antonella Folgori klotzen die Bauarbeiter ran. Vom Schreibtisch aus sieht sie, wie in Windeseile der neue Flügel ihres Biotech-Unternehmens Reithera hochgezogen wird. In Rekordzeit, sagt die Chefin und klingt sehr zufrieden. In dem Anbau soll im März die Herstellung des Covid-19-Impfstoffs GRAd-COV2 anlaufen. Der neue Bioreaktor steht schon. "Il bimbo" nennen sie den 2000-Liter-Tank im Unternehmen zärtlich: das Baby. Bimbo? "Ja, wir empfinden es als unsere Kreatur, die wir nun auf die bestmögliche Weise großziehen wollen", sagt Folgori. Auf der Immunologin und ihrem Team ruhen in Italien hohe Erwartungen: Reithera soll dem von der Pandemie gebeutelten Land ein eigenes italienisches Vakzin verschaffen.

Dafür muss Folgori Geld auftreiben für die zweite und dritte Phase der klinischen Prüfung. Anfang Januar stellte Folgori, 54, die Ergebnisse der ersten Testphase vor. Sie zeigten, dass der Impfstoff bei 94 Prozent der Probanden zuverlässig eine Immunreaktion ausgelöst hat. Das sei sehr ermutigend, sagt sie. Der adenovirale, vektorbasierte Impfstoff benutzt den Erkältungsvirus eines Gorillas wie eine Fähre, die ein Stück der Boten-RNA des Coronavirus in die menschlichen Zellen transportiert. Interessant machen das Vakzin drei Vorzüge: Eine Dosis soll genügen, was die Impfkampagne erheblich verkürzen würde. Zudem lässt er sich im normalen Kühlschrank lagern und ist mit einem Preis von weniger als fünf Euro sehr günstig.

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Reithera fällt auch sonst aus dem Rahmen. Die Firma hat sich nicht mit einem der großen Pharmakonzerne verbündet. Sollte der Impfstoff nach Abschluss der Tests wie erwartet bis zum Sommer zugelassen werden, könnten vor den Toren Roms 100 Millionen Dosen im Jahr produziert werden.

Doch es hakt am Geld. Reithera ist typisch italienisch: hohe wissenschaftliche Kompetenz, großer Einsatz und knappe Mittel. Folgori war 2007 Mitgründerin der Biotech-Firma Okairos, die 2013 an Glaxo Smith Kline verkauft wurde. Den Erlös investierten die Aktionäre in das neue Unternehmen Reithera in Castel Romano im Süden der Hauptstadt. Bislang wurden die Entwicklung und die Produktion der ersten 100 000 Impfdosen aus eigener Kraft und mit acht Millionen Euro öffentlicher Zuschüsse finanziert. Den Hauptanteil überwies die Region Latium. Nun ringt Reithera mit dem Staat um eine Förderung, um weitermachen zu können. Folgori wägt darum jedes Wort ab. "In einem anderen Land wären wir vielleicht schneller ans Ziel gekommen", sagt sie. Zum Vergleich: In Deutschland machte der Bund 700 Millionen Euro für Biontech und zwei weitere deutsche Unternehmen locker. Rom verfolgt eine andere Strategie: Premier Giuseppe Conte will jetzt die Hersteller Biontech/Pfizer und Astra Zeneca wegen der Reduzierung ihrer Lieferungen vor Gericht bringen.

Das italienische Baby hochzupäppeln, ist vorwiegend Frauensache. Nur 30 Prozent der 110 Beschäftigten von Reithera sind Männer. "Frauen sind in der Wissenschaft sehr intuitiv, engagiert und effizient", sagt die Chefin. Deshalb seien in Italien viele Forscherinnen tätig. Dennoch ist ihre Firma eine Ausnahme: Frauen besetzen bei Reithera auch die Führungspositionen. Zum Führungstrio gehört nur ein Mann. In der zweiten Führungsebene sind zehn Frauen vertreten. "Alle, die bei uns aufsteigen wollen, haben die Möglichkeit dazu. Was zählt, sind die Fähigkeiten", sagt sie.

Nur zu Hause ist Folgori in der Minderheit. Ihre beiden Söhne, 14 und 22, würden sie ertragen und unterstützen. Und ohne den Beistand ihres Mannes hätte sie einige mutige Entscheidungen nicht getroffen.

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