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Nahaufnahme: Adam Neumann: "Ein kapitalistischer Kibbuz ist keine schlechte Idee. Man braucht beides."

Adam Neumann: "Ein kapitalistischer Kibbuz ist keine schlechte Idee. Man braucht beides."

(Foto: Mark Lennihan/AP/dpa)

Adam Neumann gründete schon einige Firmen, so auch den Büroraumvermittler We Work. Und er verkaufte sich und seine Ideen gut - so gut, dass Investoren ihm viel Geld liehen.

Von Maximilian Helmes

Erzählen kann Adam Neumann - offenbar so gut, dass Menschen ihm nach kurzer Zeit sehr viel Geld anvertrauen. Mitarbeiter, Freunde und Investoren erzählen dem Wall Street Journal in Interviews vom Aufstieg des We-Work-Gründers, von seiner meisterhaften Art, zu überzeugen, von seinem Ehrgeiz und seiner anziehenden Persönlichkeit, mit der er inspirieren und verkaufen konnte.

Joey Loew von Star Farm Ventures, einem israelischen Fonds für Risikokapital, war einer von Neumanns Überzeugten: "Als ich ihn traf, wollte ich nach wenigen Minuten investieren." Loew steckte in mehreren Runden Geld seines Fonds in We Work, den Büroraumvermittler, der einzelne Arbeitsplätze, Schreibtische oder ganze Büros im monatlichen Abo vermietet.

Neumann sammelte Dutzende Millionen Dollar von Risikokapitalgebern. Das Verkaufsargument war dabei stets das starke Wachstum. Und We Work wuchs in der Tat bemerkenswert konstant, indem es fast jährlich seinen Umsatz verdoppelte. 2018 erwirtschaftete das Start-up einen Jahresumsatz von etwa 1,8 Milliarden Dollar; im Februar diesen Jahres galt das Unternehmen mit einer Rekordbewertung von 47 Milliarden Dollar als wertvollster Newcomer in den USA.

Im Zentrum von We Work stand dabei stets Adam Neumann. 1979 wurde er in Tel Aviv geboren, während seiner Teenagerzeit lebte er mit Mutter und Schwester in einem Kibbuz, also einer ländlichen genossenschaftlichen Siedlung ohne privates Eigentum. Mit 22 Jahren ging er in die USA, besuchte ein College und begann, Firmen zu gründen. We Work ist bereits seine fünfte Gründung und bis jetzt die einzige, die noch nicht pleite ist. Bei der Unternehmensführung gibt sich Neumann, wie in der Start-up-Szene üblich, als aufgeschlossener Geschäftsführer. Er war offenbar in der Lage, seine Mitarbeiter zu motivieren und eine Arbeitsatmosphäre für junge Millenial-Hipster nach dem Motto "Work hard, Play hard" zu schaffen. Aber er übertrieb es auch oft - und führte We Work mit ungewöhnlicher Ausgelassenheit bis hin zum Exzess: Alkohol floss beinahe täglich und gehörte in der Gründungsphase zur Unternehmenskultur. Von Mitarbeiterseite heißt es, Neumann glaube daran, dass Alkoholkonsum Menschen verbinde.

All dies schien einige Zeit lang gut zu funktionieren. Aber dann wurde der Börsengang angekündigt, und die radikale Art von Adam Neumann geriet zu einem Nachteil. Aktienanalysten äußerten Kritik an Neumanns Fähigkeiten und seiner Art, das Unternehmen zu führen, aber auch grundsätzlich am Geschäftsmodell von We Work. Interessenkonflikte wurden aufgedeckt, Neumann Eigengeschäfte vorgeworfen. Als er im Sommer mit einer ordentlichen Menge Marihuana in ein Flugzeug stieg und dabei erwischt wurde, wurde seine Eignung als Manager noch weiter infrage gestellt. Das Verhalten Neumanns sei ein großes Problem, kommentierte beispielsweise Dick Costolo, der ehemalige Geschäftsführer von Twitter. Das Ausmaß von Neumanns Selbstvermarktung sei unerhört. Trotzdem versichern viele We-Work-Manager im Wall Street Journal, dass Neumann stets im Sinne der Firma entschieden habe.

Anfang Oktober wurde der Börsengang abgesagt. Hauptinvestor Softbank übernimmt, Neumann musste gehen. Mit We Work verbinden ihn noch etwa zehn Prozent der Aktien und Stimmrechte. Den Abschied ließ er sich mit 1,7 Milliarden Dollar bezahlen.

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