Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Gut vernetzt

Bernhard Simon, der Chef des Logistikkonzerns Dachser, verbringt jetzt viel Zeit in Telefonkonferenzen.

Von Elisabeth Dostert

Bernhard Simon verspätet sich leicht. Er hatte die Nummer für eine andere Telefonkonferenz gewählt. Das hier ist bereits die zweite an diesem Tag. Drei, vier Audio- oder Videokonferenzen werden folgen. Stunde um Stunde verbringt der 59-jährige Chef des Logistikkonzerns Dachser derzeit damit. Die gelb-blauen Lkw des Unternehmens mit Sitz in Kempten im Allgäu sind fast überall auf der Welt unterwegs. Da gibt es viel zu bereden.

Auch Vorstellungsgespräche muss Simon inzwischen als Videokonferenz führen, nachdem das Reisen "brutalst" eingeschränkt wurde, wie er sagt. Er meint das wirklich so, der Kontakt zu Menschen fehlt ihm. "Die persönliche Nähe hat dieses Unternehmen immer ausgemacht. Wir sind doch ein Familienunternehmen."

Mag sein, dass wegen der Corona-Krise die ein oder andere kurzfristige Prognose nicht mehr zählt. "Unsere Mission ist nach wie vor richtig: Wir wollen weltweit der integrierteste Logistikdienstleister sein", sagt Simon. Er meint die völlige Vernetzung mit Kunden und Lieferungen. "Diese Strategie trägt uns durch die Krise." Und wie robust sie sei, zeige sich gerade jetzt in der Krise. "Dachser ist ein systemrelevantes Unternehmen. Wir versorgen Wirtschaftskreisläufe und damit auch die Gesellschaft." Der Konzern beschäftigt weltweit rund 30 600 Mitarbeiter an fast 400 Standorten. 2018 bewegte er nach eigenen Angaben knapp 84 Millionen Sendungen.

In den vergangenen Wochen ist es in diesem Netz von Kunden und Waren immer mal wieder zu Problemen gekommen. Lieferketten wurden unterbrochen, weil Grenzen geschlossen wurden, Lkw hingen an der Grenze zu Polen fest. "Das war ein ganz eigenartiges Gefühl im freien Europa. Das kannten wir nicht mehr." Fahrer aus grenznahen Gebieten konnten nicht mehr zur Arbeit pendeln oder mussten nach der Rückkehr in ihr Land erst einmal in Quarantäne.

Dachser gehören nur die Container, die sogenannten Wechselbrücken, allein 8000 in Europa. Transportunternehmen bewegen sie. "Wir wissen immer genau, wo die Wechselbrücken stecken. Jede Brücke hat einen Barcode und jede Fahrt eine Nummer." Durch das Coronavirus gab es Störungen und Verzögerungen, die Simon zufolge aber bislang nie länger als ein paar Tage gedauert haben. "Das heißt nicht, dass gleich ein ganzes Versandsystem zusammenbricht." Dachser habe aus Krisen gelernt. "Wir zehren noch von den Erfahrungen der Finanzkrise. Damals haben wir gelernt, schnell und flexibel zu reagieren."

Schon im November und Dezember waren die Lieferketten in China ins Stocken geraten, damals nicht wegen des Virus, sondern wegen der Handelskonflikte. "Das Warenaufkommen von China nach Europa brach gewaltig ein." Es hat sich nach dem chinesischen Neujahrsfest Ende Januar zunächst nicht erholt. In China werde die Produktion nun allmählich wieder hochgefahren. Die ersten Container seien wieder unterwegs. Doch nachdem die Produktion in vielen anderen Ländern ruhe oder zurückgefahren wurde, lasse das Frachtaufkommen in Europa und in den USA nach.

Simon wirkt nicht wie jemand, der sich so schnell aus der Ruhe bringen lässt. Er arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten in der Firma, seit 2005 ist er geschäftsführender Gesellschafter. Simon ist der Enkel des Gründers, Thomas Dachser hat das Unternehmen 1930 in der Weltwirtschaftskrise gegründet. Es hat einen Weltkrieg überlebt, Handelskonflikte und Wirtschaftskrisen. Anfang nächsten Jahres will Simon wie lange geplant in den Verwaltungsrat wechseln.

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SZ vom 06.04.2020
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