Nahaufnahme:Gut gemeint

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Eigentlich wollte sie etwas Sinnvolles tun. Aber dann hat sich die Autorin Sara Gruen bei einer Hilfsaktion verzockt.

Von Jürgen Schmieder

Natürlich ist diese Idee unglaublich simpel. Da es aber zu den wichtigsten Erkenntnissen des Lebens gehört, dass die einfachsten Ideen meist die besten sind, muss man den Einfall der Schriftstellerin Sara Gruen ("Water for Elephants") wohl ziemlich genial nennen: Sie kaufte kurz nach dem amerikanischen Feiertag Thanksgiving 156 Exemplare des Spielzeugs Hatchimals und bezahlte dafür insgesamt 23 595,31 US-Dollar.

Das Geniale an dieser Idee ist, dass diese interaktiven Vögelchen, eine Mischung aus den Tamagotchis der 1990er-Jahre und dem sprechenden Pelztier Furby, bei Kindern in den Vereinigten Staaten und Kanada derart beliebt sind, dass Hersteller Spin Master bereits angekündigt hat, bis zum Weihnachtsgeschäft wohl nicht genug Exemplare produzieren zu können, um die Nachfrage an den Spielzeug-Tieren mit den knuffigen Kulleraugen befriedigen zu können. Eine geniale Geschäftsidee, zumal Gruen - die beim Online-Auktionshaus Ebay durchschnittlich das Zweieinhalbfache des Ladenpreises von 59,99 Dollar bezahlt hatte - noch nicht einmal Wucherpreise verlangte, sondern sie einfach weiter versteigern wollte.

Gruen bemerkte jedoch schnell, dass man sich manchmal im Leben darum scheren muss, was andere von einem denken. Vor allem aber realisierte sie, dass eine simple Idee auch kompliziert werden kann. Die verzweifelten Eltern nämlich freuten sich keineswegs über das freundliche Angebot einer Versteigerung, sie beklagten vielmehr Gruens Gier und erklärten die Autorin sogleich zum Grinch der Weihnachtssaison 2016. Der Grinch ist, wie man weiß, ein misanthropisches Geschöpf mit giftgrüner Haut, das in einer Höhle lebt und Weihnachten hasst.

Zudem hatte Gruen nicht beachtet, dass Ebay wegen der Furcht vor Fälschungen die schnelle Massenversteigerung einzelner Produkte untersagt - sie darf als neue Verkäuferin lediglich drei Exemplare pro Woche einstellen. Gruen hat also gar keine Zeit, bis Weihnachten alle Hatchimals über das Auktionshaus zu verkaufen.

"Das hat sich angefühlt, als wäre ich von einem Zug überfahren worden", sagt Gruen: "Ich will den Kindern keineswegs das Weihnachtsfest vermiesen und auch ihre Eltern nicht ausbeuten. Ich wollte sie mit Profit verkaufen, um die horrenden Kosten für meinen gerechten Kampf stemmen zu können." Sara Gruen unterstützt einen Mann, von dem sie glaubt, dass er zu Unrecht eine lebenslange Haftstrafe absitzt. Aufgrund der Kosten habe sie sich bereits mit 150 000 Dollar verschuldet: "Ich habe meine Familie finanziell ruiniert. Mein Ehemann sollte mich umbringen - aber er zeigt Verständnis."

Gruen, 47, hat nun einen eigenen Internetshop eröffnet und verkauft die Spielzeuge gemeinsam mit einem signierten Exemplar ihres Bestsellers für 189 Dollar. Das freilich führt zurück zu einer weiteren Erkenntnis des Lebens, dass die Liebe ein seltsames Spiel ist. Die Kinder lieben die Hatchimals offensichtlich doch nicht so sehr, dass Eltern dafür fast das Vierfache des Ladenpreises dafür bezahlen. Bislang ist Gruen eigenen Angaben zufolge gerade einmal 40 Prozent der Hatchimals losgeworden.

Das wiederum ruft nun Spott bei all jenen hervor, die diese so simple Idee schon vor Wochen hatten: Die Gebrüder Mike und Stan Zappa etwa haben im Oktober ebenfalls Hatchimals-Exemplare für durchschnittlich 50 Dollar gekauft und versteigern sie nun bei Ebay. "Der Markt bestimmt den Preis - und der liegt derzeit bei etwa 120 Dollar", sagt Mike Zappa: "Was diese Frau vergessen hat, das ist die wichtigste Erkenntnis im Leben einer Geschäftsfrau: Wenn du Profit machen willst, dann musst du billig einkaufen und teuer verkaufen."

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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