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Anna Alex: "In der Krise sind wir uns der Verletzlichkeit des Systems bewusst geworden." (Foto: oh)

Anna Alex will den Klimaschutz messbar machen: Die Berliner Seriengründerin baut mit einem Partner das Start-up Planetly auf - mit viel Geld im Rücken.

Von Katharina Kutsche, Hannover

Sie selbst beschreibt sich als einen Menschen "für die frühen Jahre eines Unternehmens". Etwas von null auf hundert zu bringen, darin sei sie gut, so Anna Alex. Doch über ihr neues Start-up sagt die Seriengründerin, es könne sein, dass sie damit ihr Lebensprojekt gefunden habe.

Alex, 35, hat im Januar gemeinsam mit Benedikt Franke das Unternehmen Planetly ins Leben gerufen. Das Team aus 20 Mitarbeitern entwickelt digitale Tools, mit denen Firmen ihren CO₂-Fußabdruck ausrechnen und kompensieren können. Ein drängendes Thema also, das Investoren so überzeugte, dass sie keine zwei Monate nach der Gründung 5,2 Millionen Euro Startkapital lockermachten.

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Die hohe Summe dürfte auch der Erfahrung der Unternehmer geschuldet sein. Sie kennen sich aus einer gemeinsamen Zeit bei Rocket Internet. Alex arbeitete dort 2008 nach ihrem Wirtschaftsstudium, als die Berliner Start-up-Schmiede erst 20 Mitarbeiter hatte. Ihr Projekt: einen Modehändler namens Zalando aufzubauen. Danach gründeten beide selbst: Franke 2014 eine Plattform namens Helpling, die Putz- und andere Haushaltshilfen in zehn Ländern vermittelt. Und Alex baute 2012 gemeinsam mit Julia Bösch den Online-Herrenausstatter Outfittery auf, der mittlerweile 450 Mitarbeiter und eine Million Kunden in neun Ländern hat.

Ende 2018 übergab sie ihr erstes Start-up, dann folgte eine Auszeit

Während ihrer Zeit bei Outfittery wurde Alex zum ersten Mal Mutter, nahm drei Monate Auszeit und merkte: "Der Laden läuft auch ohne mich". Klar sei das eine etwas beängstigende Erkenntnis gewesen, aber eben auch eine Gelegenheit zu hinterfragen: Ist das hier weiterhin das, was ich machen möchte? Ende 2018 stieg die Gründerin aus, übergab die Führung an Bösch und ist nur noch als Beraterin aktiv.

2019 nutzte sie für eine unternehmerische Auszeit, das zweite Kind kam. Zudem schloss sich die Wahlberlinerin den Leaders for Climate Action an, einer Klimaschutz-Initiative aus mehr als 100 Gründern. Klimaneutralität ist deren wichtigstes Ziel: "Ich habe gelobt, meinen eigenen CO₂-Fußabdruck und den meines Unternehmens auszugleichen", sagt Alex.

Den zu berechnen, ist schon für eine Einzelperson aufwendig: vom Verbrauch in der Wohnung, auf dem Weg zur Arbeit, über Reisen bis hin zur Ernährung. Für Unternehmen ist es je nach Mitarbeiterzahl und Produktpalette noch umfangreicher, und: "Ich war entsetzt, als ich gesehen habe, wie analog dieser Prozess ist", so die Gründerin. Berater kommen mit einer Ladung Excel-Datenblättern in den Betrieb und gehen alle Bereiche durch.

Trotz Corona-Krise läuft es gut

Mit den digitalen Tools von Planetly, so der Plan, können Unternehmen messen, wie hoch ihre CO₂-Emissionen sind; sie werden beraten, welcher Ausstoß vermeidbar ist und wie man das, was nicht verringert werden kann, kompensiert. Das Geschäftsmodell ist simpel, die Kunden zahlen für die Softwarelizenzen. Anders als manche Wettbewerber erhebe man keine Margen auf erfolgte Kompensationen, "weil wir dann kein ehrliches Interesse daran hätten, dass die Unternehmen wirklich CO₂ reduzieren".

In den nächsten Wochen will das Berliner Unternehmen einen Prototypen herausbringen; als Pilotkunde dient etwa Tourlane, ein Start-up, das Individualreisen organisiert. Während andere Start-ups unter der Corona-Krise leiden, steht Planetly verhältnismäßig gut da. Die Finanzierung war schon vor Beginn der Einschränkungen abgeschlossen. Dazu kommt: "In der Krise sind wir uns der Verletzlichkeit des Systems bewusst geworden", so Alex. Die Resilienz von Unternehmen werde stärker beachtet, Risikomanagement werde wichtiger. Corona- und Klimakrise - beides macht eben nicht vor Ländergrenzen halt.

© SZ vom 07.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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