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Nahaufnahme: Christiane Woopen: „Die vorrangige Frage ist nicht, was ist verboten, sondern was ist geboten und wünschenswert, und wie sollten wir es gestalten.“

Christiane Woopen: „Die vorrangige Frage ist nicht, was ist verboten, sondern was ist geboten und wünschenswert, und wie sollten wir es gestalten.“

Christiane Woopen ist Mitglied der Datenethik-Kommission. Der Mensch sei kein digitales Wesen, sagt sie. Sondern er bestehe aus einer Einheit aus "Körper, Geist und Seele". Langfristig werde die Sehnsucht nach Freiheit und Glück siegen.

Von Jacqueline Lang

Christiane Woopen, 56, hat nach dem Abitur zunächst Philosophie studiert. Das Studium sei interessant gewesen, doch sich ein Leben als Philosophin an der Universität vorzustellen, dazu habe ihr "die Fantasie gefehlt", sagt sie. Das Medizinstudium wiederum habe ihr nicht gefallen, weil man viel einfach nur auswendig habe lernen müssen. Aber der Gedanke, Menschen als Ärztin helfen zu können, der habe ihr wiederum zugesagt. So verbindet sie heute mit ihrer Arbeit beide Disziplinen: Seit 2009 hat sie die Professur für Ethik und Theorie der Medizin an der Universität Köln inne, ist Direktorin von Ceres, kurz für Cologne Center for Ethics, Rights, Economics and Social Sciences of Health und Vorsitzende des Europäischen Ethikrates. Und nun kam Mitte vorigen Jahres auch noch ein Anruf aus dem Innenministerium und die Frage, ob Woopen Mitglied der Datenethik-Kommission werden wolle. Sie wollte - und wurde gleich eine der zwei Co-Sprecherinnen der neuen Kommission. Erst im September 2018 hatte das Gremium der Bundesregierung seine Arbeit aufgenommen. Nur: Kann das funktionieren, sich immer schneller verändernde Algorithmen und ein vergleichsweise träger Kommissionsapparat? Woopen sagt, man würde sich wundern, wie schnell so eine Kommission arbeiten kann. Und tatsächlich: Innerhalb von nur sieben Monaten haben die 16 Mitglieder schon zwei Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung formuliert. Die erste zum Thema künstliche Intelligenz sei bereits nach einem Monat fertig gewesen, sagt Woopen. Die Professorin, die Ende 2018 für ihr gesellschaftliches Engagement, unter anderem bei der Schwangerschaftsberatung, das Bundesverdienstkreuz 1.

Klasse erhielt, sieht zwei grundlegende Missverständnisse im Hinblick auf das Verständnis der Ethik. Dabei sei es egal, von welcher Art der Ethik man nun spreche: Humanethik oder Datenethik. Zum einen gehe es nicht darum, Grenzen zu ziehen, sondern vielmehr darum, etwas zu gestalten. Zum anderen "ist die vorrangige Frage nicht, was ist verboten, sondern was ist geboten und wünschenswert, und wie sollten wir es gestalten". Ziel ihrer Arbeit im Ethikrat sowie in der Datenethik-Kommission sei es immer, ein Problembewusstsein zu schaffen. Ethik, das betont die Wissenschaftlerin, könne und dürfe dabei nie eine Alternative zu geltendem Recht sein.

Woopen sagt, sie sei Optimistin. Einen negativen Blick in die Zukunft zu richten, verbiete sie sich deshalb. Trotzdem weiß sie - wahrscheinlich besser, als die meisten - um die Risiken der Digitalisierung. "Der Mensch an sich ist kein digitales Wesen", sagt Woopen, er lasse sich nicht in Zahlen messen. Für die bekennende Christin besteht der Mensch vielmehr aus einer Einheit aus "Körper, Geist und Seele". Der Wunsch nach Perfektion, der sich auch im Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen widerspiegelt, führt aus ihrer Sicht zu einem Spannungsverhältnis: Der Wunsch nach Perfektion versus die Unmöglichkeit, diese zu erreichen. Aber auch da ist sie sich sicher: Langfristig werde die Sehnsucht des Menschen "nach Freiheit und Glück" siegen.

Es sind viele der großen Fragen des Lebens, mit denen sich Woopen beschäftigt. Wie aber hat sie dazu die Zeit gefunden, als ihre vier Kinder noch klein waren? "Ich konnte mir meine Arbeitszeiten immer selbst einteilen", sagt sie. Von Zuhause arbeiten sei kein Problem gewesen. Sie gibt aber auch zu: Ihr Arbeitspensum sei nichts für jemanden, der nachts viel Schlaf brauche. Ihre Doktorarbeit etwa habe sie geschrieben, nachdem sie ihre Kinder ins Bett gebracht habe.

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