Sie hat es geschafft. Beifall, Tränen, Schreie. Zum Schluss stürmt das ergriffene Modevolk sogar den Laufsteg. "Diese Kollektion ist für Dich, Gianni", sagte Donatella Versace. Sie hatte es zwei Jahrzehnte nach dem Tod ihres Bruders erstmals gewagt, das Firmenarchiv zu betreten, seine Kreationen hervorzuholen und neu zu interpretieren. Das war genau vor einem Jahr in Mailand. Zu den Klängen von George Michaels "Freedom" trat die platinblonde, zerbrechlich wirkende Frau mit Claudia Schiffer, Carla Bruni, Cindy Crawford und Naomi Campbell, den Star-Models von Gianni Versace, aus den Kulissen. Ein Bann schien gebrochen. Die Power-Schwester riss sich die Maske herunter, hinter der sie ihren Schmerz verborgen hatte. Versace lebt. Mission erfüllt. Und nun?
Seither wird spekuliert, an wen das Mailänder Modehaus wohl verkauft werde. Denn Versace ließ 2017 auch eine hartnäckige finanzielle Krise hinter sich. Nach vielen Verlustjahren und Sanierungsanläufen erzielte das Familienunternehmen erstmals einen kleinen Gewinn. Und das Interesse an namhaften Luxuslabeln aus Italien ist ungebrochen. Das Wachstumspotenzial der 1978 von Gianni Versace, dem aufsässigen Erneuerer der Mode, gegründete Marke gilt als lange noch nicht ausgeschöpft. Den ganzen Sommer über verhandelte die Familie mit potentiellen Käufern. Den Zuschlag erhielt am Dienstag das amerikanische Modeunternehmen Michael Kors für 1,8 Milliarden Euro.
Als ein Killer den Modeschöpfer Gianni Versace am 15. Juli 1997 auf der Treppe zu seiner 40-Millionen-Dollar-Villa am Ocean Drive in Miami Beach erschoss, schien alles vorbei zu sein. Es war das Ende der sagenhaften Karriere eines anstößigen Designers und Firmengründers. Versace befand sich auf dem Scheitelpunkt seines Erfolgs. Er hatte Mode zu Entertainment und Erotik und Macht zu seinen großen Themen gemacht. In jenem Sommer brütete er über Plänen zum Börsengang des Unternehmens. Hinter seinem großen Gegenspieler, dem Minimalisten Giorgio Armani, war Versace die Nummer zwei der italienischen Modewelt. Der Schock des gewaltsamen Todes des Über-Bruders steckte den Geschwistern Sante und Donatella sehr lange in den Knochen.
Donatella war 1988 ihrem neun Jahre älteren Bruder aus dem süditalienischen Kalabrien nach Mailand gefolgt. Sie arbeitete als Designerin an seiner Seite. 1997 muss sie von einem Tag auf den anderen sein Erbe antreten. Sie wird Kreativ-Chefin des Labels mit dem goldenen Medusenhaupt im Logo - und hatte keinen leichten Start. An den Laufstegen vermisste man Giannis verschwenderische Vitalität.
Sie wich zwar nicht von seiner provokanten Ästhetik ab und bewahrt die schrille Modemarke vor dem Kollaps, nicht aber vor einem schleichenden Niedergang.
Der Boom der Luxuskonzerne ging an Versace jedenfalls vorbei. Donatella und ihr Bruder Sante kamen sich rasch in die Haare. Die Schulden wuchsen, finanzielle Hilfe von außen war aber unerwünscht. "Wir überwinden die Schwierigkeiten allein", sagte Donatella trotzig. Während die Manager auf eine strenge Kostenkontrolle drängten, verlangte die Party-Queen opulente Ausgaben. Lange zierte sie sich, Macht abzutreten. Erst 2012 nahm sie den US-Investor Blackstone mit 20 Prozent auf.
Bei der Mailänder Modeschau vor einem Jahr trat dann eine neue Donatella auf. "Ich habe auch viele Fehler gemacht, aber ich stehe danach wieder auf", sagte die Designerin. Nun soll Michael Kors die Zukunft des extravaganten Modehauses sichern. "Wir glauben, dass dieser Schritt es Versace erlauben wird, sein ganzes Potenzial zu entfalten", sagte Donatella. Sie soll jedenfalls weiter Kreativchefin der Marke bleiben.