Nahaufnahme:Drinnen sitzen will keiner

Nahaufnahme: Philipp Spengel: "Wer keine Rücklagen hat, für den wird es in den kommenden Monaten eng."

Philipp Spengel: "Wer keine Rücklagen hat, für den wird es in den kommenden Monaten eng."

(Foto: oh)

Philipp Spengel war verzweifelt. Erst als der Wirt draußen Tische aufstellen durfte, fasste er trotz Corona wieder Mut. Nun hofft er auf einen guten Sommer.

Von Katharina Müller

Eigentlich hatte Philipp Spengel, 52, die Außenbewirtschaftung in seinem Restaurant vor zehn Jahren aufgegeben. "Nutzen und Aufwand standen für uns schlicht nicht im Verhältnis", sagt der Gastronom. Doch neuerdings stehen zwölf Tische vor seinem Lokal auf dem Karlsplatz. Dort, mitten in der Heidelberger Altstadt, essen und trinken die Besucher nun mit Blick auf die Schlossruinen. Spengel führt das Gasthaus "Zum Roten Ochsen" in sechster Generation. Zu den Kunden gehören Touristen und Einheimische, das historische Studentenlokal gilt als gute Adresse für Hausmannsküche. Eingeritzte Holztische und Fotos an den Wänden dokumentieren 180 Jahre Familiengeschichte und prominente Gäste: Auch Marilyn Monroe, Mark Twain und John Wayne waren schon mal da.

Normalerweise ist das Lokal auch im Sommer und bei schönem Wetter drinnen gut besucht. Zwischen 90 und 115 Menschen finden im Inneren Platz. Doch derzeit bleiben viele Tische unbesetzt. Die Gäste sitzen lieber draußen, weil dort die Ansteckung mit dem Coronavirus weniger wahrscheinlich ist.

Entsprechend angespannt war Spengel bis vor wenigen Wochen, als nach zwei Monaten Lockdown zahlende Kunden fernblieben. Dabei war der gelernte Hotelbetriebswirt und Koch - Ende der Achtzigerjahre stand er als Demi Chef de Grill im Bayerischen Hof in München in der Küche - ebenso wie nahezu alle Gastronomen mehr denn je auf Umsatz angewiesen. Während der Schließung habe er keinen einzigen Euro verdient, sagt er. Ein Liefer- oder Abholservice hätte sich finanziell für ihn nicht rentiert. Daher ließ er es bleiben. Erst mit der städtischen Genehmigung, seine Tische draußen aufstellen zu dürfen, habe sich die Existenzangst gelegt. Durch den neu gewonnenen Platz draußen kann Spengel dort jetzt im besten Fall bis zu 50 Gäste bedienen. Dafür müssen die Tische voll besetzt sein. Immer sind sie das nicht.

Dass die Außenfläche für viele Gastronomien der Faktor sein wird, der darüber entscheidet, ob sie die schwierigen Zeiten überleben, davon ist Spengel aber überzeugt. Daher findet er es prinzipiell gut, dass Heidelberg wie viele andere Städte und Kommunen in diesem Jahr auf die Gebühren für die Außengastronomie verzichtet. Dabei ist die Universitätsstadt kulant: Überall, wo möglich, können Restaurantbesitzer neue Außenbereiche schaffen oder alte vergrößern. Damit will Heidelberg gebeutelten Gastronomen wie Philipp Spengel helfen.

Von ihren eigentlichen Umsätzen sind die meisten Betriebe dennoch weit entfernt. Das zeigt auch das Beispiel des 52-Jährigen: Gerade einmal 30 Prozent seines eigentlichen Jahresumsatzes konnte er bislang einnehmen. Das reicht laut dem Vater von drei Töchtern jedoch, um über die Runden zu kommen. Immerhin. Sein Ziel ist es jetzt, das Jahr noch irgendwie kostendeckend abzuschließen. Hoffnung auf große Gewinne hat er nicht. Viel hänge nun auch vom Wetter ab.

Mehr Tische draußen lösen für die Branche nicht alle Probleme, sagt Spengel. Manche Inhaber hätten keine Möglichkeit, ihre Bestuhlung im Freien aufzustocken: "Die gucken dann in die Röhre. Gerecht ist das nicht." Besonders fatal sei das für die Betriebe, die nicht wie sein eigener eigentumsgeführt, sondern nur gepachtet seien und hohe Mieten zahlen müssten. Im Vergleich zu anderen sei er da fast schon in einer komfortablen Lage.

Dem Ende des Sommers blickt er dennoch mit Sorge entgegen. Steigt die Zahl der Corona-Infizierten weiter und bleiben Gäste infolgedessen aus, befürchtet er, dass er seine Mitarbeiter wieder vermehrt in die Kurzarbeit schicken muss. Dabei arbeiten viele von ihnen gerade erst wieder etwas mehr.

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