Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Dreigestreift

Adidas will mit Jürgen Klopp die Corona-Krise hinter sich lassen. Der Trainer verdient bereits viel Geld mit Werbung.

Von Uwe Ritzer

Exakt drei Minuten und 17 Sekunden dauert der Videoclip, in dem Jürgen Klopp, 53, über die "Lust am Gewinnen" räsoniert, und von seinem ehrgeizigen Vater erzählt, der ihn selbst als Kind bei Wettrennen nie habe gewinnen lassen. Acht Jahre ist das Werbefilmchen für die Volks- und Raiffeisenbanken alt. Damals führte der Trainer Klopp Borussia Dortmund zum ersten Double der Vereinsgeschichte, dem Gewinn von deutscher Meisterschaft und Pokal.

Seither ist viel geschehen. Klopp ist zu einem Weltklasse-Trainer gereift, der gerade den FC Liverpool zur ersten englischen Meisterschaft seit 30 Jahren gecoacht hat, nachdem er mit dem Klub 2019 bereits die europäische Champions League gewonnen hatte. Damit einher stößt er auch als Werbefigur in neue Dimensionen vor. Beim Sportartikelhersteller Adidas unterschrieb er einen Mehrjahresvertrag. Dass er künftig am Spielfeldrand Schuhe mit charakteristischen Drei Streifen tragen und Adidas darüberhinaus als Werbefigur zur Verfügung stehen wird, dürfte ihm mehr als jene zwei Millionen Euro pro Jahr einbringen, die er angeblich als neues Testimonial der Erdinger Weißbier-Brauerei kassiert. Es läuft also für Jürgen Klopp, sportlich wie finanziell.

Auch sein neuer Partner kommt wieder in Schwung. Nachdem Adidas vor allem im zweiten Quartal gewaltig mit den Folgen der Corona-Krise kämpfte, als zeitweise 70 Prozent der Geschäfte weltweit geschlossen waren, in denen normalerweise Schuhe und Shirts der Marke verkauft werden. In den ersten sechs Monaten brach der Umsatz gemessen am Vorjahreszeitraum um gut ein Viertel auf 8,33 Milliarden Euro ein; 268 Millionen Euro Verlust schlugen zu Buche.

Nun aber sehe man "Licht am Ende des Tunnels", sagte Adidas-Chef Kasper Rorsted am Donnerstag. Weltweit seien 92 Prozent der eigenen Geschäfte wieder geöffnet und die Nachfrage nach Adidas-Schuhen und -Shirts sei hoch. Mehr denn je setzt Rorsted aber auf das Internet als Vertriebskanal. Intern hat er viele Kapazitäten entsprechend konzentriert, was dazu beitrug, dass Adidas seinen Online-Umsatz im zweiten Quartal fast verdoppelte. Erstmals wird das Unternehmen 2020 Ware für mehr als vier Milliarden Euro im Netz verkaufen.

Schnödes Geldverdienen ist in dieser Branche allerdings gekoppelt an Emotionen und sportlichem Erfolg. Mit Bayern München, Juventus Turin und Real Madrid rüstet Adidas drei der vier Meister in Europas wichtigsten Fußballligen aus. Lediglich Premier-League-Sieger Liverpool lief bislang in Trikots, Hosen und Stutzen der Marke New Balance auf. Bei ihr stand auch Jürgen Klopp unter Vertrag. Nun wechselt der FC Liverpool zu Nike - und Klopp zu Adidas.

Außerdem verdient er beim Autohersteller Opel und der Deutschen Vermögensverwaltung die ein oder andere Million hinzu. Kein anderer Trainer, ausgenommen Pep Guardiola, ist als Werbefigur ähnlich gefragt. Das habe nicht nur mit Klopps sportlichen Erfolgen zu tun, sagt Dirk Jungels, Professor für Sportmarketing an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning. "Er ist dank hoher Medienpräsenz über die Fußballszene hinaus extrem bekannt und seine lockere, emotionale und manchmal selbstironische Art kommt generationenübergreifend sehr gut an." Obendrein sei Klopp eloquent und wenn er sich mal daneben benehme oder polarisiere, trage ihm das niemand nach. "Er kommt als Testimonial authentisch rüber und wirkt in seiner Art wie der nette Typ von nebenan", sagt Jungels.

Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in England. Wo Erdinger gerne mehr Bier und Adidas mehr Schuhe und Shirts verkaufen möchte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4991242
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.08.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.