Nahaufnahme:Doppelte Diskretion

Nahaufnahme: Georg Schaeffler: „Wir sind einfache Menschen, die sich am liebsten zurücknehmen.“

Georg Schaeffler: „Wir sind einfache Menschen, die sich am liebsten zurücknehmen.“

(Foto: oh)

Georg Schaeffler ist als Eigner der Zulieferer-Unternehmen Schaeffler und Continental Herr über mehr als 330 000 Arbeitsplätze.

Von Uwe Ritzer

Sollte es dem Mann, der zu den reichsten Deutschen zählt, tatsächlich unangenehm sein, derart im Rampenlicht zu stehen, dann lässt er sich das nicht anmerken. Dabei lebt Georg Schaeffler, 54, im Alltag ein sehr zurückgezogenes Leben. Beruflich pendelt er zwischen seinem Wohnort in den USA und Deutschland, wo er gleich über zwei Riesen der Zulieferindustrie mit insgesamt mehr als 330 000 Beschäftigten herrscht: Schaeffler und Continental. Sonst weiß man nur wenig über ihn. "Wir sind einfache Menschen, die sich am liebsten zurücknehmen", sagte er 2016 der SZ in einem seiner seltenen Interviews.

Und nun steht dieser Georg Schaeffler auf einer hell ausgeleuchteten Bühne in der Nürnberger Frankenhalle an einem Rednerpult, und viele Hundert Augenpaare sind auf ihn konzentriert. Zumal seine Mutter Maria-Elisabeth, 77, nicht angereist ist. Als Aufsichtsratschef der Schaeffler AG leitet Georg Schaeffler routiniert deren Hauptversammlung. Wohlwissend allerdings, dass Anleger, Öffentlichkeit und Mitarbeiter mehr von ihm erwarten als nur eine aktienrechtlich einwandfreie Moderation.

Wegweisung nämlich. Der jahrzehntelang mechanisch und auf Verbrennungsmotoren ausgerichtete Automobil- und Industriezulieferkonzern plagt sich ziemlich mit der Transformation hin zu Elektromobilität und Digitalisierung. Da treibt doch den ein oder anderen die Frage um, wie es weitergeht. Weshalb es Betroffene sogar schon beruhigt, als der Mehrheitseigentümer floskelhaft versichert, er sei "zuversichtlich, dass die richtigen Schritte eingeleitet sind". Und dann lässt Georg Schaeffler noch gegen Ende seiner Rede einen Videoclip einspielen, in dem eine unsichtbare Stimme einen Satz spricht, der in der abgedunkelten Frankenhalle als zentrale Botschaft ankommt: "Wir sind nicht nur ein Global Player, sondern auch Familie."

Georg Schaeffler, Betriebswirt und Rechtsanwalt, ist geschieden und Vater von vier Kindern, von denen zwei studieren. Viel mehr weiß man nicht. Er besuche gerne Konzerte, Ausstellungen und Museen, lese und reise auch privat gerne, heißt es in seinem Umfeld. Ihm selbst würde es nie einfallen, über Privates zu sprechen. Öffentliche Zurückhaltung ist Prinzip bei dem unauffälligen Mann mit den grauen Haaren und der randlosen Brille, dessen Vermögen in einschlägigen Rankings seit Jahren um die 20 Milliarden Euro taxiert wird. Je nachdem, wie der Kurs der Schaeffler- und Conti-Aktien gerade steht.

Familienunternehmer einerseits, agiert er andererseits mit den etwa 46 Prozent, die seine Mutter, er und die Firma Schaeffler an Conti halten, als "stabiler Ankeraktionär". Auch elf Jahre nach dem Einstieg in Hannover herrscht Rätselraten, warum beide Firmen nicht stärker kooperieren. Die Kombination aus - zugespitzt - Elektronik (Conti) und Mechanik (Schaeffler), plus die geballte Entwicklungskraft beider Unternehmen, wäre ökonomisch und technologisch vielversprechend. Dass es nie dazu kam, ist auch verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Schaefflers weiland Kopf und Kragen riskiert haben, um Conti zu übernehmen. "Vielleicht ist das Thema inzwischen einfach durch", sagt ein Insider.

Kooperationen müssten beiden Firmen etwas bringen, sie seien aber Sache der beiden Vorstände, da mische er sich nicht ein, lässt Georg Schaeffler ausrichten. So viel Zurückhaltung in Hannover passt eigentlich nicht zum engagierten Unternehmer, als den sie ihn in Herzogenaurach wahrnehmen. "Für einen Aufsichtsratsvorsitzenden ist er über Gebühr engagiert und steckt viel mehr in Details, als man dies erwarten kann", beschreibt ein Mitglied des Kontrollgremiums. Georg Schaeffler selbst würde das nie so sagen. Zumindest nicht öffentlich.

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