Nahaufnahme:Digital abnehmen

Nahaufnahme: Dominik Burziwoda: "Wir sagen, was wir können und was wir nicht können. Das muss seriös sein."

Dominik Burziwoda: "Wir sagen, was wir können und was wir nicht können. Das muss seriös sein."

(Foto: oh)

Dominik Burziwoda hilft Menschen bei der Ernährungsumstellung. Die Analyse setzt auf Blutzuckerwerte und Millionen Freunde.

Von Katharina Kutsche

Jeder Mensch hat zig Millionen Freunde. Und damit sind nicht die Kontakte auf sozialen Netzwerken gemeint, sondern Freunde, die jeder in sich trägt: Darmbakterien. Unter dem Namen Million Friends hat das Start-up Perfood aus dieser lebenslangen Freundschaft ein Produkt entwickelt, das die Ernährung individuell anpasst und so Krankheiten wie Diabetes Typ 2 vorbeugen soll.

Perfood entstand im Umfeld der Universität Lübeck, gegründet 2017 von den Ernährungswissenschaftlern Christian Sina, Torsten Schröder und Christoph Twesten sowie dem Betriebswirt Dominik Burziwoda. Sie beziehen sich auf eine Forschung von 2016. Demnach reagiert jeder Mensch individuell anders auf Lebensmittel - ablesbar ist das an seinen Blutzuckerwerten, auch die Zusammensetzung der Darmbakterien ist einzigartig. "Am Anfang sagte man uns: Niemand schickt euch eine Stuhlprobe", so Burziwoda, 36, der die Geschäfte des Start-ups führt. Doch inzwischen hat eine vierstellige Zahl an Nutzern den Test gemacht. Das Unternehmen hat mehrere Gründerpreise gewonnen.

Mit dem Perfood-Kit messen Nutzer 14 Tage lang ihren Blutzucker, geben die Stuhlprobe ab und erfassen in einer App, was sie essen, wann sie Sport machen und schlafen. Danach bekommen sie eine individuelle Auswertung mit Tipps zur besseren Ernährung. Burziwoda nennt ein Beispiel: Wenn jemand übergewichtig sei und Gewicht verlieren wolle, könne es sein, dass er etwa statt Cornflakes Haferflocken isst, weil die als gesund gelten. Reagiere er aber gerade auf Haferflocken mit steigendem Blutzuckerwert, nehme er schwerer ab als mit anderen Lebensmitteln.

Zu Beginn finanzierte sich Perfood mithilfe von Privatinvestoren und aus eigenen Mitteln. Später kam ein Exist-Gründerstipendium hinzu, mittlerweile hat auch ein Business Angel einen niedrigen siebenstelligen Betrag investiert. Generell sei das Kapital in Deutschland da für Unternehmen, sagt Burziwoda, aber: "Die Investoren nehmen sich oft nicht die Zeit, ein Produkt wirklich zu durchdenken. Sie haben nicht die Fantasie, ein Problem zu verstehen oder ein Potenzial zu erkennen." Der Gesundheitsmarkt sei kompliziert und stark reguliert. Viele Kapitalgeber stecken da ihr Geld lieber in Themen, die sie schon kennen, so die Erfahrung des Gründers.

"Wir haben als Start-up einen guten Zugang zum Kapital, auch wegen unseres universitären Hintergrunds", sagt Burziwoda. Doch E-Health-Unternehmen - also solche, die digitale Gesundheitsanwendungen entwickeln - haben mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Da ist etwa die lange Verfahrensdauer. Es dauere etwa zehn Monate, bis ein Produkt bei einer Krankenkasse zugelassen sei, dann müsse man noch Ärzte überzeugen und das Produkt an sie vertreiben. So weit reicht oft die Finanzierung von jungen Gründern nicht - viele Fördermittel sind auf ein bis zwei Jahre befristet.

Würde Perfood seine Angebote als Medizinprodukte verkaufen wollen, käme noch eine umfangreiche Prozessdokumentation hinzu. "Ich bin auch ein Freund davon, dass es diese Regularien gibt", stellt Burziwoda klar. "Wir sagen, was wir können und was wir nicht können. Das muss seriös sein." Deswegen sei Perfood als Lifestyle-Produkt am Markt, Versprechen wie "wir machen Sie gesund" gibt das Start-up nicht.

Ziel der Gründer sei es nun, in Programme von Krankenkassen aufgenommen zu werden, etwa für betriebliches Gesundheitsmanagement: "Bei der Anwendung lernt man ja auch viel über den Körper und Gesundheit." Das gemeinsame Testen innerhalb der Familie oder des Kollegenkreises mache schließlich Spaß und könne Anreize schaffen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: