Nahaufnahme:Die Steuer-Frau

Lesezeit: 2 min

Margrethe Vestager: „Ich arbeite mit Steuern und ich bin eine Frau." (Foto: Francisco Seco/AP)

Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager macht sich unbeliebt und kann damit gut leben.

Von Karoline Meta Beisel

"Ich mache nur selten Sachen, die meine Töchter cool finden, aber das jetzt ist mal was", sagt Margrethe Vestager. Am Montag ist die EU-Wettbewerbskommissarin nach Slowenien gereist, um sich mit den dortigen Wettbewerbshütern zu treffen - und hat damit alle 28 Mitgliedstaaten der EU bereist. Man könnte das auch für eine Art Bewerbungsreise halten: Für den Fall, dass Manfred Weber (CSU), Spitzenkandidat der Konservativen im EU-Parlament, nach der Europawahl keine Mehrheit findet, die ihn zum Kommissionspräsidenten wählen könnte, gilt die Liberale als eine der Favoriten für den Posten an der Spitze der mächtigsten Behörde Europas.

Denn auch wenn ihre Töchter das nicht so sehen mögen: In den EU-Institutionen, in denen es zugegebenermaßen nicht allzu viele Leute gibt, zu denen dieses Adjektiv zu passen scheint, gehört die Dänin zu den coolsten; in ihrer Heimat war die frühere dänische Vize-Regierungschefin eines der Vorbilder für die Fernsehserie "Borgen". Auf dem Couchtisch in ihrem Büro steht eine Skulptur, ein ausgestreckter Mittelfinger. Den hat sie zwar von Leuten bekommen, die sich über sie geärgert haben - genauso gut könnte der Finger aber auch eine Auszeichnung sein: Vestager hat sich mit den mächtigsten Konzernen der Welt angelegt, mit Google, Facebook, Apple und Amazon, und sich damit einen Ruf als Hüterin europäischer Interessen erarbeitet. "Deine Steuer-Frau hasst die USA", sagte US-Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr zu Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, was Vestager lässig konterte: "Ich arbeite mit Steuern und ich bin eine Frau, dieser Teil des Satzes stimmt also zu hundert Prozent", sagte sie. Nur der zweite Teil des Satzes sei falsch: "Ich liebe die USA!"

Mit Liebesentzug drohen dagegen gerade Deutschland und Frankreich. Vestagers Kartellbehörde untersagte den Zusammenschluss der Bahnsparten der Konzerne Siemens und Alstom, unter anderem wegen befürchteter Nachteile für den Wettbewerb auf dem Markt für Hochgeschwindigkeitszüge. Jetzt fordern die Wirtschaftsminister beider Länder eine Änderung des EU-Wettbewerbsrechts, um solche Zusammenschlüsse künftig zu ermöglichen. Darauf angesprochen sagt Vestager, wichtiger als die Diskussion über die Wettbewerbsregeln sei die Debatte über die Grundsätze, die sich in diesen Regeln widerspiegeln. "Wir haben uns entschieden, auf fairen Wettbewerb zu bestehen." Weniger Wettbewerb könnte zu höheren Preisen für Hochgeschwindigkeitszüge führen, "de facto wäre das eine Einladung für Konzerne aus anderen Teilen der Welt", ihre Züge für kleinere Preise anzubieten. "Wenn wir an diesen Grundsätzen etwas ändern wollen, müssen wir uns über die Konsequenzen im Klaren sein", sagt Vestager. Mit allzu schnellen Änderungen dürfte in dem Bereich aber sowieso nicht zu rechnen sein, oder wie Vestager es formuliert: "Gesetzgebung ist was für geduldige Leute."

Ob Vestager noch im Amt ist, sollten Deutschland und Frankreich ernstmachen mit ihrer Ankündigung? Das dürfte auch von ihrem Heimatland Dänemark abhängen. Die 50-Jährige stammt aus einer anderen Partei als Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass er sie noch einmal als Kommissarin nach Brüssel schickt. Was aber nicht unbedingt heißt, dass er auch einer Berufung als Kommissionspräsidenten im Wege stehen würde. "Normalerweise haben wir es immer so gemacht, dass wir geholfen haben, wenn ein Däne die Chance hatte, es irgendwo zu schaffen", sagt Vestager. Ansonsten habe sie die Erfahrung gemacht, dass es vor allem einen Weg gebe, um einen spannenden Job zu bekommen: "Konzentriere dich auf den, den du gerade hast."

© SZ vom 27.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: