Süddeutsche Zeitung

Tarifstreit bei der Post:"Die Verhandlungen laufen nicht so, wie ich es kenne"

  • Personalvorstand Melanie Kreis führt die Verhandlungen für die Post. Die Physikerin gilt als verhandlungssicher, aber unerfahren bei Tarifkonflikten.
  • Die Post will 49 neue Gesellschaften gründen, bei denen Paketboten zu einem niedrigeren Lohn arbeiten. Die Fronten zwischen Post und der Gewerkschaft Verdi sind deshalb verhärtet.
  • Die Post sorgt sich, hinter Konkurrenten zurückzufallen; Verdi fürchtet eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.

Porträt von Kirsten Bialdiga

Vom Erdgeschoss bis zum 39. Stock geht es ganz schnell. Da rast der gläserne Aufzug im Post-Tower in Bonn nur so nach oben. Wer noch höher empor will, dahin, wo die Vorstandsangelegenheiten besprochen werden, muss hingegen geduldig sein. Der Fahrstuhl in die beiden obersten Etagen der Konzernzentrale bewegt sich so langsam wie eine Sänfte.

Melanie Kreis hat es in der Post-Hierarchie bis nach ganz oben geschafft. Seit dem vergangenen Oktober ist die 43-Jährige für Personal zuständig und hat damit eine der schwierigsten Aufgaben übernommen, die der ehemalige Staatskonzern zu vergeben hat. An ihr ist es, die Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi zu führen, die gerade so festgefahren sind, dass von Dienstag an weitere Streiks drohen.

Grundsatzfrage für beide Seiten

Die Rhetorik auf beiden Seiten lässt für Post-Kunden, die auf Briefe und Pakete hoffen, nichts Gutes erwarten: "Nun wird es weitere Streiks geben, ohne dass von der Gegenseite ein wirkliches Bemühen zu erkennen ist", sagte Postvorstand Kreis der Süddeutschen Zeitung. Und Verdi-Bundesvorstand Andrea Kocsis gab am Wochenende zu verstehen: "Die Zeichen stehen auf Sturm."

Entsprechend vergiftet ist die Atmosphäre. Am Freitag kam es gar vor Beginn der Gesprächsrunde zu einem unguten Zwischenfall. Spontan hatten sich Demonstranten vor dem Hotel am Los-Angeles-Platz in Berlin versammelt, wo die Verhandlungen weitergehen sollten. Als Kreis vorfuhr und aus ihrem Wagen ausstieg, habe ein Demonstrant mit seinem Megafon genau neben ihr gestanden. Sie sei darüber sichtlich ungehalten gewesen, offenbar weil es keinen Hinweis auf die Demo gab, heißt es. In Verhandlungskreisen ist von zunehmender Entfremdung zwischen den Parteien die Rede.

Für beide Seiten geht es um Grundsätzliches. Für Verdi bedeutet die Gründung von 49 neuen Gesellschaften, in denen Paketboten zu einem niedrigeren Lohn arbeiten sollen, einen Bruch bestehender Verträge. Sollte die Post damit durchkommen, so wäre die Zwei-Klassen-Gesellschaft wohl kaum noch aufzuhalten. Die Post hingegen fürchtet, gegenüber Konkurrenten wie UPS oder TNT ins Hintertreffen zu geraten, weil diese deutlich niedrigere Löhne zahlen. Für den Konzern geht es darum, ob es in einigen Jahren überhaupt noch einen deutschen Paketdienst gibt.

Kreis' Vorgängerin gab vorzeitig auf

Diese Themen verhandeln nun zwei Frauen, deren Biografien kaum unterschiedlicher sein könnten. Die Sozialarbeiterin und Philologin Andrea Kocsis, die als Briefträgerin bei der Post anfing, trifft auf die Physikerin Kreis, die bei der Unternehmensberatung McKinsey sozialisiert wurde und später zum Finanzinvestor Apax wechselte. Bei der Post leitete Kreis die internationalen M&A-Projekte, handelte also mit Firmen. Später war die zweifache Mutter am Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank beteiligt. Kreis ist verhandlungserfahren, keine Frage. Aber mit einer Gewerkschaft spricht sie, wie sie selbst einräumt, über Tariffragen zum ersten Mal: "Die Verhandlungen laufen nicht so, wie ich normalerweise Verhandlungen in anderen Bereichen kenne." Es schwängen mehr Emotionen mit, es gebe viel mehr Rituale.

Dass der Vorstandsjob herausfordernd sein würde, war der Absolventin der Eliteuni Insead klar. Ihre Vorgängerin Angela Titzrath hatte den Job vorzeitig wieder aufgegeben, weil sie mit internen Querelen zu kämpfen hatte. Kreis hat daraus gelernt. Gute Beziehungen zu ihren Vorstandskollegen seien ihr wichtig, sagt sie. Und für die weiteren Gespräche mit Verdi schöpft sie aus ihren Erfahrungen als Physikerin: "Im Labor klappt auch nicht alles beim ersten Mal - man braucht wie im richtigen Leben Ausdauer, um zum Erfolg zu kommen."

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SZ vom 12.05.2015/kabr
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