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Nahaufnahme: Mark Parker: "Ich gehe nirgendwo hin. Ich bin nicht krank."

Mark Parker: "Ich gehe nirgendwo hin. Ich bin nicht krank."

(Foto: USA Today Sports)

Nike-Chef Parker schien von zahlreichen Affären im Unternehmen unberührt und hatte Erfolg. Nun geht er trotzdem überraschend, angeblich freiwillig.

Von Uwe Ritzer

Am Ende kam einiges zusammen. Da war die "Boy's Group"-Mentalität, eine sexistischen Männerwirtschaft, wie sie in einem Unternehmen nicht mehr in die Zeit passt. Im Zuge dessen wurden Klagen über angebliche sexuelle Belästigungen und die Benachteiligung von Frauen bei Nike laut. Dann die öffentliche Empörung darüber, dass der mit Abstand größte Sportartikelhersteller Profisportlerinnen, die von ihm ausgerüstet und gesponsert werden, Strafzahlungen abverlangt, wenn die Frauen schwanger werden. Und zu guter Letzt war da noch das Nike Oregon Project. Jenes firmeneigene Trainingsgruppe, die gerade erst aufgelöst wurde, nachdem deren Trainer Alberto Salazar wegen Dopingvergehen gesperrt worden war.

All das schien an Mark Parker, 64, abzuprallen. Ebenso, dass er vom Treiben des Doping-Trainers gewusst haben soll, wie US-Medien unter Berufung auf E-Mail-Korrespondenz berichten. Auch dass er Salazar selbst nach dessen Suspendierung die Treue schwor, schien auf den Chef von Nike keine Wirkung zu haben. Am Dienstag nach Börsenschluss gab das Unternehmen jedoch bekannt gab, dass Mark Parker nach dann 14 Jahren seinen Posten am 13. Januar 2020 räumen wird. Nachfolger wird John Donahoe, 59, Chef des Computer-Cloud-Spezialisten Service-Now und von 2008 bis 2015 Vorstandschef von Ebay. Mark Parker bestritt im US-Fernsehsender CNBC, dass die vielen Vorwürfe der jüngsten Zeit etwas mit seinem Rückzug zu tun hätten. "Ich gehe nirgendwo hin, ich bin nicht krank", hatte er zuvor an alle Nike-Mitarbeiter geschrieben.

An der Version vom freiwilligen Abgang sind dennoch Zweifel erlaubt, auch wenn Parker als geschäftsführender Vorsitzender in den Verwaltungsrat des US-Unternehmens wechseln wird. Schließlich hatte Nike vor nicht einmal zwei Jahren angekündigt, Parker werde "über 2020 hinaus" Chef bleiben. Nun fiel die Ankündigung seines ziemlich überraschenden Abgangs zeitlich mit jener von Kevin Plank zusammen, bisher Herrscher über den Konkurrenten Under Armour. Auch er hört auf. Einen wesentlichen Unterschied gibt es allerdings: Under Armour lieferte nach großspurigen Wachstumsversprechen nur wenige Erfolge. Nike hingegen boomt, Affären hin oder her. Bei 39 Milliarden Dollar, umgerechnet gut 35 Milliarden Euro, lag zuletzt der Umsatz. Adidas, die deutsche Nummer zwei der Branche, rechnet hingegen für das laufende Jahr mit etwa 23,7 Milliarden Euro. Auch was den Börsenwert angeht liegt Nike weit vorn.

Mark Parkers Abgang ist aus mehrerlei Gründen ein tiefer Einschnitt in die Nike-Geschichte. Seit 1979 arbeitet der studierte Politikwissenschaftler aus dem Bundesstaat New York für die Marke mit dem Swoosh. Vom Schuhdesigner und Produktentwickler arbeitete er sich hoch bis ganz an die Spitze und es gibt ein ungemein erfolgreiches Produktsystem, das eng mit ihm verbunden ist: Sportschuhe, in deren Sohlen zur Dämpfung Luftkissenpolster eingebaut sind.

Die Nike-Schuhlinie "Air" ist seit Jahrzehnten ein Erfolgsschlager. Vom Hobby-Läufer und Mountainbiker Parker, der mit einer ehemaligen Weltrekordhalterin über 5000 Meter verheiratet ist, hieß es oft, er kümmere sich am liebsten um Produkte. Doch auch die Zahlen stimmen. Unter seiner Führung hat sich der Nike-Umsatz mehr als verdoppelt.

Dass mit Parkers Nachfolger Donahoe ein Internet-Experte einen Sportartikelkonzern führt ergibt deshalb Sinn, weil die Branche immer weniger Geschäft im stationären Handel, dafür aber umso mehr über (eigene) Online-Plattformen macht. Donahoes Nachfolger bei Service-Now wiederum wird Bill McDermott, bis vor Kurzem Chef bei SAP.

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