Nahaufnahme:Der Zubringer

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"Der Vorteil für die wäre, dass sie die Zubringer billiger bekommen würden als bei irgendjemand anderem." Michael O'Leary. (Foto: Bloomberg)

Ryanair-Chef Michael O'Leary arbeitet am Geschäftsmodell. Er dient sich als Zubringer für andere Fluggesellschaften wie British Airways oder Aer Lingus an.

Von Jens Flottau

Nicht alles, was Michael O'Leary sagt, sollte man unbedingt für bare Münze nehmen. Seine Idee, Passagiere wie in einer Autobahnraststätte extra bezahlen zu lassen, wenn sie während eines Ryanair-Fluges auf die Toilette müssen, hatte mehr den Zweck, auf sich und das Unternehmen aufmerksam zu machen. O'Leary spricht auch seit Jahren davon, dass seine Billigfluggesellschaft Langstreckenflüge starten könnte und sorgt damit in regelmäßigen Abständen für Aufregung.

Doch nun hat der langjährige Ryanair-Chef eine Idee ins Spiel gebracht, die zunächst unglaublich klingt, bei näherer Analyse aber gar nicht so unwahrscheinlich sein muss. Er hat vorgeschlagen, dass Ryanair künftig Zubringerflüge für andere Anbieter wie British Airways oder Aer Lingus durchführen könnte, mit deren Hilfe diese ihre eigenen Langstreckenmaschinen noch besser füllen würden. "Der Vorteil für die wäre, dass sie die Zubringer viel billiger bekommen würden als bei irgendjemand anderem", sagt der 54-jährige. "Ich sehe keinen Grund, warum dies nicht in diesem Winter beginnen könnte." Bei Ryanair selbst werde die Zahl der Umsteiger zwar relativ gering bleiben, aber in einigen Jahren wird seiner Ansicht nach etwa die Hälfte aller Umsteiger auf Langstrecken innerhalb Europas von Billigfluggesellschaften befördert.

Dass Ryanair mit dem einstigen Erzfeind zusammenarbeiten könnte, wäre die wohl spektakulärste Veränderung im Geschäftsmodell von Ryanair. Aber sie zeigt letztlich nur, wie flexibel O'Leary ist und dass selbst Ryanair sich ständig verändern muss, um erfolgreich zu bleiben. O'Leary stand lange zwar für günstige Flüge, aber nicht gerade für freundlichen Umgang mit den Kunden. Der Ryanair-Ruf drohte, nachhaltigen Schaden zu nehmen.

Bis eines Tages O'Leary selbst die Notbremse zog und umschwenkte. Er wies die Mitarbeiter an, flexibler und kundenfreundlicher zu agieren. "Always getting better" nennt sich die Strategie, die er ausgerufen hat: Sitzplätze werden vor Abflug fest vergeben und die Ryanair-Passagiere dürfen kostenlos zwei Handgepäckstücke mitnehmen, bei Lufthansa ist es offiziell nur eines. Ryanair fliegt auch mehr auf die Hauptflughäfen, die die Geschäftsreisenden bevorzugen. Und die Sache klappt: Das Wachstum hat sich beschleunigt und der Gewinn steigt ebenfalls deutlich.

Der nächste Schritt ist die Kooperation mit einer klassischen Airline. Am leichtesten wäre dies bei Aer Lingus, denn beide irischen Fluggesellschaften fliegen ein dichtes Netz von Dublin aus. In London und bei British Airways wäre es schon schwieriger, denn Ryanair nutzt den Flughafen Stansted, den BA gar nicht anfliegt. Da in London-Heathrow kein Platz für Ryanair ist, könnte allenfalls BA überlegen, einige der Langstrecken nach Stansted zu verschieben, was in Heathrow mehr Platz für neue Verbindungen schaffen würde.

Die Voraussetzungen, ins Geschäft zu kommen, sind auf der persönlichen Ebene aber gut. O'Leary und Willie Walsh, 53, Chef der BA-Holding International Airlines Group, schätzen sich, die beiden Iren sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie sind Freunde klarer Worte und konsequenten Handelns. Und sie hatten zuletzt sowieso viel zu besprechen: Ryanair hat das IAG-Angebot angenommen, den Minderheitsanteil an Aer Lingus zu kaufen. Das Geschäft soll noch im August über die Bühne gehen, Aer Lingus wäre dann ebenfalls Teil von IAG. Wenn O'Leary künftig tatsächlich für Walsh fliegen soll, wäre allerdings ein wichtiger Aspekt noch zu klären: Ryanair will die Zubringer nur übernehmen, wenn Aer Lingus (oder BA) alle zusätzlichen Kosten trägt, die bei Umsteigeverbindungen entstehen: Gepäckbeförderung, Flugausfälle, Umbuchungen.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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