Nahaufnahme:Der Wunschkandidat

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Theodor Weimer: „Wir sind keine Getriebenen, auf dass wir jetzt einen Deal machen müssen.“ (Foto: Silas Stein/dpa)

Wird Theodor Weimer Aufsichtsratschef der Deutschen Bank? Ob dies so kommt, ist unklar. Ein interner Kandidat ist jedenfalls nicht in Sicht.

Von Jan Willmroth

Das Netzwerk ist intakt, Theodor Weimer als Chef der Deutschen Börse, das kam nicht von ungefähr. Geholt hat ihn ein alter Bekannter, Joachim Faber, 70, scheidender Aufsichtsratschef des größten Börsenbetreibers auf dem europäischen Festland. Einer, der damit auch seine eigene Karriere retten konnte: Unter Weimer kam der Konzern nach dem Verdacht des Insiderhandels gegen dessen Vorgänger Carsten Kengeter wieder in die Spur, so gut wie jedes Ziel wurde erreicht, zuletzt taten die Turbulenzen an den Märkten dem Geschäft gut. Zwei Jahre macht Weimer den Job jetzt, hat eine Vertragsverlängerung bis 2024 in der Tasche, an diesem Dienstag erlebt er seine dritte Hauptversammlung.

Die findet diesmal virtuell statt, Faber hat seinen letzten Auftritt, sonst aber könnte das Aktionärstreffen wieder so ablaufen wie meistens bei der Deutschen Börse: kurz, harmonisch, langweilig. Der Konzern ist absurd profitabel, alles ist in Ordnung, auf die Frage, welche Wachstumsfantasien es denn noch gibt, kommt dann: Klar, wir schauen uns alles an, was zu uns passt - und bezahlbar ist. "Wir sind keine Getriebenen, auf dass wir jetzt einen Deal machen müssen", sagte Weimer jüngst. Derweil zeichnet sich ein ganz persönlicher Deal für Weimer ab, was viel mit Joachim Fabers Münchner Bürokollegen Paul Achleitner, 63, zu tun hat.

Der ist seit einiger Zeit damit befasst, seine Nachfolge an der Spitze des Aufsichtsrats der Deutschen Bank zu organisieren. Unter dem Druck der Investoren hat er seinen Rückzug für 2022 in Aussicht gestellt. Ein interner Nachfolger ist nicht in Sicht. Als die Bank neulich bekannt gab, wen sie zur Wahl in das Kontrollgremium vorschlagen will, stand da einmal mehr nicht ganz zufällig der Name Theodor Weimer. Er soll zunächst einfaches Mitglied im Aufsichtsrat werden, am Mittwoch auf der Hauptversammlung der Bank steht er zur Wahl. Wirtschaftsstudium, Beraterkarriere, Investmentbanking bei Goldman Sachs hoch oben im Frankfurter Messeturm, große Lust an Deals, unbedingter Wille zur Macht, jahrelang beim Versuch gescheitert, im Bankgeschäft Konzernchef zu werden: Achleitner und Weimer haben viel gemeinsam, sie kennen sich lange, sie sprechen dieselbe Sprache.

Achleitner müht sich, sein Vermächtnis nicht ganz so mies aussehen zu lassen, im besten Fall tritt er als Entdecker des Aufräumers Christian Sewing ab, der den Konzern gerade radikal zurechtschneidet. Weimer würde kommen als eine Art Saubermann, der sich bei der Deutschen Börse keine großen Fehler erlaubt hat, jedenfalls sind öffentlich keine bekannt. Er hätte jetzt zwei Jahre Zeit, die Lage zu sondieren und zu überlegen, ob der Posten als Chefaufseher der Deutschen Bank dann noch als Krönung seines Werdegangs gelten kann. Denn ganz oben anzukommen reicht in Weimers Fall nicht, er will es dann auch so verstanden wissen.

Wie das in der Zwischenzeit gehen soll, hier als Aufsichtsrat der Deutschen Bank, dort als Aufsichtsrat bei der M-Dax-Firma Knorr Bremse, die ihn auch berufen will, und gleichzeitig noch einen Dax-Konzern führen? Das fragen sich einige, von "Ämterhäufung" ist die Rede vor der Hauptversammlung, und von Interessenkonflikten: Wann immer es im Aufsichtsrat der Deutschen Bank Dinge zu entscheiden gibt, die zugleich für die Börse von Belang sind, muss Weimer die Konferenz verlassen. Zwar erlaubt sein Vertrag ihm zwei Aufsichtsratsposten nebenbei, Kontrolleur bei der Deutschen Bank ist man aber eher nicht im Nebenjob. Geht das trotzdem alles gut, könnte die Achleitner-Nachfolge ein eleganter Ausweg werden: Bis 2024 Börse-Chef zu bleiben hieße auch, einen Plan zu schmieden, wie die Börse noch international mithalten will. Ohne größere Übernahme wird das schwierig.

© SZ vom 19.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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