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Argentiniens Präsident Macri wirbt bei Kanzlerin Merkel für Freihandel mit Europa. Noch wirkt seine liberale Politik im eigenen Land aber nicht - beziehungsweise nur negativ.

Von Benedikt Peters

In dieser Woche hat er sich wirklich große Mühe gegeben. Zuerst traf der argentinische Präsident Mauricio Macri den französischen Staatschef François Hollande im Pariser Élysée-Palast. Dann flog er ins EU-Hauptquartier nach Brüssel, sprach mit Ratspräsident Donald Tusk und der Außenbeauftragten Federica Mogherini. Und schließlich - für argentinische Medien war es der "Höhepunkt" seiner Reise - traf Macri im Berliner Kanzleramt auf Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Es war das erste Mal, dass der schwerreiche Unternehmer als argentinischer Präsident nach Europa kam. Ende 2015 hatte er Cristina Kirchner abgelöst und seinen Wählern versprochen, alles anders zu machen als seine linke Vorgängerin. Zumindest in der Wirtschaftspolitik.

Während Kirchner auf staatliche Umverteilungsprogramme und protektionistische Maßnahmen setzte, sucht Macri das Heil Argentiniens in Subventionsabbau und Freihandel. Er hat den seit vielen Jahren schwelenden Streit mit US-Hedgefonds beigelegt, den Dollarkurs liberalisiert und Importrestriktionen weitgehend aufgehoben. In Lateinamerika sucht er neue Verbündete, im Ausland wirbt er um Investoren. So soll Argentinien, wie er selbst sagt, auf die "internationale Bühne" zurückkehren. Ein Schlüsselpartner dafür soll Europa sein. "Der einzige Weg ist die Integration", sagte Macri zum Beispiel in Berlin, die Kanzlerin stand neben ihm und lächelte freundlich. Hinter den höflichen Worten steckt jedoch ein konkretes Ziel, das sich Macri gesteckt hat: Er will zügig ein Freihandelsabkommen zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union abschließen. Die entsprechenden Verhandlungen zwischen Brüssel und dem Wirtschaftsverbund Mercosur, zu dem Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay und Venezuela gehören, stocken seit vielen Jahren.

Dieses Ziel aber dürfte Macri kaum erreichen. Für seinen Vorstoß erhielt er in Europa zwar viele warme Worte, auch von Kanzlerin Merkel. Sie gab sich erfreut, dass mit Macri die Diskussionen um das Freihandelsabkommen nun in eine "aktive Phase" eingetreten seien. Ein zentrales Problem aber, das eine Einigung verhindert, kann auch Macri nicht überwinden: den Konflikt in der Landwirtschaft. Die Lateinamerikaner drängen darauf, ihre Agrarprodukte zollfrei auf den EU-Binnenmarkt bringen zu können. Dem verweigern sich zahlreiche Mitgliedsstaaten, allen voran Frankreich, weil sie die Bauern vor der Konkurrenz schützen wollen. Von der Bundeskanzlerin erhofft sich Macri, sie werde die Franzosen umstimmen, was Merkel wiederum höflich zurückwies. Für äußerst schwierige Verhandlungen spricht auch die Entscheidung der EU-Kommission, angesichts der Debatten um TTIP und Ceta in Zukunft alle nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten über Freihandelsabkommen abstimmen zu lassen.

Für Macri ist das ein Rückschlag, und es ist nicht der erste. Dass sein Name in den Panama Papers auftaucht, hat er zwar weggesteckt, was auch an den zahlreichen Korruptionsaffären seiner Vorgängerin liegt. Problematischer ist, dass sich der Erfolg seiner Reformen bisher nicht einstellen will. Die Inflationsrate steigt weiter. Viele Argentinier sind unzufrieden: Die Preise für Strom, Gas und Wasser sind stark gestiegen. Einer Studie zufolge sind seit Jahresbeginn 1,4 Millionen Menschen in die Armut abgerutscht. Macri, früher Bürgermeister von Buenos Aires und Präsident des Fußballklubs Boca Juniors, hat um Geduld gebeten. Bald werde sich der Erfolg einstellen. Einige Tausend Argentinier sind aber bereits auf die Straße gegangen. Ihr Schlachtruf lautet "Macri vende patria" - übersetzt so viel wie: "Macri verkauft das Vaterland."

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SZ vom 08.07.2016
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