Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Der Menschenfreund

Lesezeit: 1 min

Chris Boos glaubt fest an den Segen der Digitalisierung: "Menschen werden grob missbraucht, weil wir sie immer die gleichen Prozesse abwickeln lassen."

Von Elisabeth Dostert

Eigentlich wollte Chris Boos, 43, sich noch umziehen. Das T-Shirt mit dem Aufdruck "Denken ist wie Google, nur krasser" liegt jetzt in seinem Zimmer. Er hat es nicht mehr geschafft, Termine. Nun sitzt er eben in Bluejeans, blau-weiß-gestreiftem Hemd und offenem Kragen auf der Bühne. Graues krauses Haar, rosiger Teint. Der Mann braucht kein T-Shirt mit knackigen Sprüchen, er verkörpert seine Botschaft.

Der Informatiker sucht nach Künstlicher Intelligenz. "Ich suche nach einer Maschine, die für mich Lösungen produziert." In vielen Jahren hat er eine solche Software entwickelt, sie heißt Autopilot und erledigt die Arbeit von Systemadministratoren. Die Software lerne von den Menschen, die mit ihr arbeiten, sie wertet Erfahrungen aus, befolgt harte und weiche Regeln.

Boos sitzt jetzt im Foyer des Hotels und greift nach seinem Tablet, er will erklären, wie die Software arbeitet. Auf dem Bildschirm erscheint ein Labyrinth, eine kleine Figur rast durch die Gänge, sie nimmt mal diesen, mal jenen Weg zum Ziel. Jeder ist eine Erfahrung, bis die Figur am Ende den optimalen Weg findet. Das ist erst der Anfang, ein Baustein seiner Software. "Wir setzen auch Regeln", so Boos: "Wenn du an eine Wand stößt, geh' immer links." Mit dieser Regel rast die Figur durch das nächste Labyrinth. "Die Software darf auch neugierig bleiben, sie darf eigene Wege erkunden. Trial and Error." Und sie lernt weiter vom Menschen, sie wird klüger. Das versteht Boos unter Künstlicher Intelligenz.

"Um aus allen Informationen eine qualifizierte Antwort zu destillieren, wird es immer Menschen brauchen", sagt Boos: "Menschen werden doch heute grob missbraucht, weil wir sie immer die gleichen Prozesse abwickeln lassen." Wenn große Teile der IT automatisiert würden, würden die IT-Mitarbeiter frei für neue Aufgaben. Boos glaubt fest an den Segen der Digitalisierung. "Wir wollen den Menschen Zeit zurückgeben, in der sie ihre Kreativität entfalten können." Er hat seine Firma 1995 gegründet - gemeinsam mit seinem Onkel Bernhard Walther, einem Banker. Boos hat selbst zwei Jahre als Kapitalmarktanalyst für die Dresdner Bank gearbeitet. Im Herbst 2014 zahlte die US-Beteiligungsgesellschaft KKR 50 Millionen Dollar für eine Beteiligung von 36 Prozent an Arago. Der Rest gehört Boos und Walther. Das wird das zweite SAP, sagte KKR-Partner Philipp Freise damals.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2748477
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.11.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.