Nahaufnahme:Der Fraueneinsteller

Nahaufnahme: "Wir sind stolz auf unsere Fortschritte, unser Einsatz für Vielfalt ist beharrlich." Tim Cook

"Wir sind stolz auf unsere Fortschritte, unser Einsatz für Vielfalt ist beharrlich." Tim Cook

(Foto: Bloomberg)

Noch immer sind die meisten Mitarbeiter bei Apple männlich und weiß. Doch Apple-Chef Tim Cook weiß, wie man auch diese Bilanz gut verkauft.

Von Jürgen Schmieder

Es ist nicht überliefert, ob die FDP schon bei Tim Cook angefragt hat, ob der neben seiner Tätigkeit als Apple-Chef nicht noch als Pressesprecher für die immer wieder mal kriselnde Partei arbeiten könnte. Ach was, seit diesem Wochenende dürfte Cook als Vorbild für jeden Politiker weltweit gelten, der verheerende Zahlen zu seinen Gunsten verkehren und in der Öffentlichkeit lieber als Held denn als Depp gelten möchte. Was Cook, 54, da gemacht hat, das ist an Schlitzohrigkeit kaum zu überbieten.

Bisher hatte sich Apple stets geweigert, Details über Geschlecht und ethnische Gruppenzugehörigkeit seiner Mitarbeiter zu veröffentlichen, obwohl die staatliche Antidiskriminierungskommission von US-Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten genau das fordert. Nun hat Apple diese Zahlen - auch wegen der Bemühungen des Bürgerrechtlers Jesse Jackson - zum ersten Mal in der Firmengeschichte präsentiert. Cook, dieser Schlawiner, hat bei dieser Gelegenheit sogleich verkündet, dass diese Daten doch längst obsolet seien. Und dass das Unternehmen seit der Erhebung im Juli 2014 mehr als 11 000 Frauen eingestellt habe und nun alleine in den USA 2200 schwarze Arbeitnehmer und 2700 Lateinamerikaner beschäftige. "Wir sind stolz auf unsere Fortschritte, unser Einsatz für Vielfalt ist beharrlich", schrieb Cook in einer Mitteilung.

Hach, was sind das für wunderbare Nachrichten eines Unternehmen, das erfolgreich gegen Diskriminierung kämpft und so vielfältig daherkommt wie die Kinder in einer Folge von "The Cosby Show" - würden die Daten nicht ein verheerendes Bild der Mitarbeiterstruktur bei Apple zeichnen. Demnach sind etwa 60 Prozent der Angestellten in der Firmenzentrale in Cupertino weiß, 70 Prozent sind männlich. Während in den USA branchenübergreifend Afroamerikaner und Latinos etwa 26 Prozent der Arbeitskräfte ausmachen, sind es bei Apple 19,5 Prozent. 83 Führungskräfte gibt es in Cupertino, 87 Prozent davon sind weiß, gerade einmal 18 Prozent sind weiblich.

Nein, Apple ist den Daten zufolge nicht progressiver als andere Technologieunternehmen wie etwa Tinder, Snapchat oder Kleiner Perkins, die zuletzt wegen Diskriminierung kritisiert oder gar verklagt worden sind. Firmen, die dazu beitragen, dass Silicon Valley als "Tal der weißen Männer" bezeichnet wird. Die Zahlen im Report zeigen: Der typische Apple-Mitarbeiter ist männlich und weiß.

Die typische Apple-Führungskraft auch. Cook versucht deshalb, den Report als Relikt aus einer längst vergangenen Zeit darzustellen und sich selbst als Fraueneinsteller: Das Unternehmen habe im vergangenen Jahr mehr als 650 Millionen Dollar in Firmen investiert, die von Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund geleitet würden, sein Konzern fördere "historisch schwarze Universitäten", damit noch mehr Menschen ihre Träume verwirklichen könnten. Nur 50 Prozent aller Angestellten, die Apple in den vergangenen sechs Monaten eingestellt habe, seien männlich oder weiß. "Wir haben versprochen, unsere Zahlen zu verbessern", schreibt Cook: "Und wir können nun glücklicherweise verkünden, dass wir Fortschritte gemacht haben."

Natürlich gehört zu einer anständigen Silicon-Valley-Pressemitteilung auch das Versprechen auf eine noch bessere Zukunft: "Wir wissen, dass noch viel Arbeit vor uns liegt." Ob Apple das gelingt, wird der nächste Report zeigen - und falls Cook tatsächlich scheitern sollte als Fraueneinsteller, würde ihn wohl jeder Politiker weltweit gern als Pressesprecher oder Gleichstellungsbeauftragten beschäftigen. Das Problem wäre nur: Auch Cook ist männlich und weiß.

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