Nahaufnahme:Der Fahrplaner

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Nir Erez: „Den Standort bestimmen zu können, ist das einzige Privileg des Chefs.“ (Foto: oh)

Die App von Nir Erez zeigt verkehrsmittel­übergreifend Informationen zum öffentlichen Verkehr. Doch es geht nicht nur darum, wie man von A nach B kommt.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Beim Lauftraining für seinen ersten Iron Man in Frankfurt erzählte Nir Erez ein Freund, dass es zu wenige Informationen für Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel gibt. Diese Idee ging dem Israeli nicht mehr aus dem Kopf. Der Physiker, der gerade ein Halbleiter-Unternehmen verkauft hatte, machte sich daran, Daten aufzutreiben und gründete vor siebeneinhalb Jahren Moovit, sein drittes Unternehmen.

Die App zeigt verkehrsmittelübergreifend Informationen zum angegebenen Standort an: Wie komme ich von A nach B? Wann kommt der Bus? Wo kann ich ein Fahrrad mieten oder ein Uber-Fahrzeug rufen? In Deutschland läuft die App in den größeren Städten wie Berlin und München, aber auch in kleineren wie Karlsruhe und Eisenach. 1,3 Millionen laden die App herunter - jeden Tag. Mehr als 600 Millionen nutzen den Service in mehr als 3000 Städten in 96 Ländern. Moovit ist Weltmarktführer im Bereich Nahverkehrsdaten und sammelt bis zu fünf Milliarden anonyme Datenpunkte pro Tag, die in den weltweit größten Datenspeicher für Verkehrs- und urbane Mobilitätsdaten einfließen. Die Datenerfassung wird durch Moovits Netzwerk von mehr als 600 000 lokalen Editoren, "Mooviter" genannt, unterstützt. Diese Nutzer helfen bei der Erstellung und Pflege von Nahverkehrsinformationen in Städten, die sonst nicht erfasst werden könnten. Auch seine über 80-jährige Mutter beteilige sich, erzählt Erez. "Aber gerade in Deutschland war es schwierig, Daten zu bekommen", erinnert er sich an seine ersten Gespräche mit den Berliner Verkehrsbetrieben. Inzwischen seien Städte und Verkehrsbetriebe froh über die Zusammenarbeit.

"Das Schwierigste ist, die Daten auf dem neuesten Stand zu halten." Denn Moovit habe den Anspruch, jede Bushaltestelle, die nicht angefahren wird, und jede wegen Bauarbeiten geschlossene U-Bahnstation anzuzeigen, sagt Erez. Seinen Angaben zufolge bietet Moovit um 70 Prozent mehr Daten über den öffentlichen Verkehr als Google Maps. Der nächste Schritt ist, Moovit zur "urbanen Mobilität-App" zu machen, in der man auch Fahr- oder Parkscheine kaufen kann. "Es geht nicht mehr nur darum, wie man von A nach B kommt. Es muss auch der Bezahlprozess einfach gestaltet werden." Bahntickets für längere Strecken sollen nicht angeboten werden. "Wir konzentrieren uns auf den urbanen Raum."

Erez braucht zumindest im Silicon Vallley kein Navigationsgerät. Dort hat er vor zwanzig Jahren sein erstes Start-up aufgebaut. Die USA nennt er "zweite Heimat". Jetzt fliegt er alle sechs Wochen nach San Francisco und pflegt die persönlichen Beziehungen zu Firmen wie Microsoft und Uber. Aus den USA kommen auch seine größten Investoren, seit drei Jahren macht das Unternehmen Gewinn vor allem durch den Verkauf von Daten.

Der ehemalige Luftwaffen-Kommandant wählte Nes Ziona in Israel als Lebensmittelpunkt für sich, seine Frau und die drei Kinder. Dort ist auch die Zentrale. "Den Standort bestimmen zu können, ist das einzige Privileg des Chefs", meint er lachend. In einem Hochhaus, rund 20 Autominuten von Tel Aviv entfernt, arbeitet ein Großteil der zweihundert Mitarbeiter. Der Chef hat nur ein bescheidenes, rund zehn Quadratmeter großes Büro. Er lebe lieber in einem Vorort als in einer Metropole und genieße es, drei- bis viermal pro Woche einfach das Gartentor zu öffnen und loszulaufen, sagt Erez. Zum Radfahren kommt er dafür seltener. Im Büro hängt ein Foto, das ihn bei einem Langstrecken-Fahrradrennen rund um Eilat in der Wüste zeigt. "An Wettkämpfen nehme ich nicht mehr teil. Für das harte Training fehlt mir die Zeit und ich bin zu alt", sagt der 54-Jährige und lacht.

© SZ vom 17.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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