Nahaufnahme:Der Consigliere geht

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"Man kann nicht Wasser predigen und Wein trinken", sagt Brun-Hagen Hennerkes zu seinem Rücktritt. (Foto: oh)

Ihm vertrauen die Patriarchen: Anwalt Brun-Hagen Hennerkes hat Tausende Familienunternehmen beraten, etwa beim Chefwechsel.

Von Marc Beise

Dieser Mann ruht in sich. Er ist sich seiner selbst so sicher, dass er sogar den Scherz wagt, den sich jeder andere Anwalt garantiert verkniffen hätte. Auf die Frage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, ob er Anwalt, Coach oder Therapeut der Familienunternehmen sei, sagte Brun-Hagen Hennerkes: "Ich bezeichne mich als Consigliere." Natürlich kam die Nachfrage: "Das klingt nach Mafia", und so war es auch nicht gemeint. Aber der Anwalt Hennerkes, der sich jetzt aus der ersten Reihe der Wirtschaft zurückzieht, ist immer mehr gewesen als der Rechtsberater der erfolgreichen und häufig bekannten Familienunternehmer des Landes.

1970 war der "Jurist aus Verlegenheit", der zunächst alte Sprachen studiert hatte, in eine Stuttgarter Anwaltskanzlei eingetreten, die heute seinen Namen an der Spitze trägt. Er hat über die Jahrzehnte Tausende von Familienunternehmen juristisch, strategisch und im Führungsalltag beraten, war Vorsitzender von 100 Aufsichtsräten und Beiräten und hat zwölf Unternehmen mit an die Börse gebracht; das prominenteste war der Herrenausstatter Hugo Boss und das auf der Kurstafel erfolgreichste Bijou Brigitte, Modeschmuck.

Häufig hatte es Hennerkes mit Nachfolgefragen zu tun, und da kann er die schönsten Geschichten erzählen über unfähige Söhne, die er von der Firmenspitze fernhalten musste, und über Patriarchen, die nicht loslassen konnten. Über Töchter, die aus dem Betrieb gedrängt wurden, und über Kinder, die, nachdem der Alte sich angeblich für immer zurückgezogen hatte, diesen plötzlich wieder im Büro vorfanden. Solche Einsätze waren Hennerkes' liebstes Ding, und da wurde der Mann, der meist höflich, verbindlich und korrekt ist, auch mal sehr direkt. Angeblich hat ihn das gelegentlich ein Mandat gekostet, aber in der Summe ging Hennerkes' Geschäftsprinzip auf, eher keine dauerhaften Mandate zu übernehmen, sondern sich lieber lukrativ für Einzeleinsätze bezahlen zu lassen. Dennoch lebt Hennerkes verhältnismäßig bescheiden und in geordneten Familienverhältnissen in der Nähe seines Büros in Stuttgart, ausgedehnte Wanderskitouren im Engadin sind fast schon der größte Luxus. Er genießt es, stundenlang seinem langjährigen Bergführer auf dem Anstieg schweigend zu folgen.

Sein größtes Hobby wurde die Stiftung Familienunternehmen, die er 2002 gegründet hat und ehrenamtlich leitete, heute ein einflussreiches Sprachrohr der Familienunternehmer. Die Stiftung - nicht zu verwechseln mit dem Verband Die Familienunternehmer - residiert in der Münchner Prinzregentenstraße, nahe dem bayerischen Machtzentrum. Vor sieben Jahren wurde eine Dependance in Berlin eröffnet, vis-à-vis zum Hotel Adlon am Pariser Platz direkt neben dem Brandenburger Tor, und das war durchaus ein Statement. Dort müssen sich die Spitzen der Politik sagen lassen, was sie nach Meinung der Stiftung alles falsch machen, in Kürze: immer mehr Sozialkosten und Bürokratie auf dem Buckel des Mittelstandes. "Deutschland muss handeln", drängt Hennerkes, "um im Standortwettbewerb nicht abgehängt zu werden. Im Länderindex Familienunternehmen, dem Standortvergleich von 21 Industriestaaten, ist Deutschland zuletzt um vier Plätze auf Rang 16 abgerutscht."

Insgesamt läuft die Politik für Hennerkes in die falsche Richtung, und das werde sich irgendwann bitter rächen. Was er sich dann allerdings aus dem Ruhestand ansehen wird, Ende des Jahres gibt er den Posten in der Stiftung auf. Er habe, sagt er, zeitlebens dafür geworben, dass Familienunternehmer rechtzeitig die Nachfolge regeln. "Daran halte ich mich auch selbst. Man kann nicht Wasser predigen und Wein trinken." Womit geklärt ist, was "rechtzeitig" ist: mit 80.

© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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