Nahaufnahme:Brillianter Schnösel

Nahaufnahme: "Wir werden einen Epochenwechsel erleben. Die Tyrannei des autoritären Populismus ist vorbei." Alfonso Prat Gay

"Wir werden einen Epochenwechsel erleben. Die Tyrannei des autoritären Populismus ist vorbei." Alfonso Prat Gay

(Foto: Reuters)

Argentiniens neuer Finanzminister Alfonso Prat-Gay ist das Gegenteil seines Vorgängers: Als Amerika-freundlicher Ökonom soll er das Land umbauen.

Von Boris Herrmann

"Ein Land ist keine Firma!" Diesen Satz hat Argentiniens scheidende Präsidentin Cristina Kirchner ihrem Volk zum Abschied zugerufen. Im Nachhinein ist das vielleicht die kürzeste und treffendste Beschreibung der zwölf Kirchner-Jahre. Es war ein politisches Projekt jenseits des Primats der Ökonomie - im Guten wie im Schlechten. Am Ende hat nach Meinung einer knappen Wählermehrheit das Schlechte überwogen. Deshalb tritt der Unternehmersohn Mauricio Macri kommende Woche seinen Dienst als Präsident Argentiniens an. Und deshalb wird Alfonso Prat-Gay, 50, nun Finanzminister. Der Mann, der das Land zu einer funktionierenden Firma umbauen soll.

Macri hat eine Reihe von Ökonomen in sein Kabinett berufen, aber die Personalie Prat-Gay ist gewiss das deutlichste Symbol für den Wandel. Auch weil der Kontrast zu dessen Vorgänger Axel Kicillof so augenscheinlich ist, der hemdsärmelig und mit zur Schau getragener Geier-Allergie das alte Argentinien repräsentierte. Kicillofs Antiamerikanismus ist Prat-Gay fremd. Er schloss sein Studium an der Universität von Pennsylvania ab und machte zunächst als Finanzstratege bei JP Morgan an der Wall Street Karriere. Und er sagt in aller Deutlichkeit: "Wir werden einen Epochenwechsel erleben. Die Tyrannei des autoritären Populismus ist vorbei." Solche Botschaften werden vor allem an den weltweiten Finanzmärkten bejubelt. Damit hat Prat-Gay bereits vor seinem ersten Arbeitstag seine erste Aufgabe erfüllt. Er ist für das zentrale Wahlkampfversprechen zuständig: Vertrauen schaffen, internationale Kredite besorgen und einen einheitlichen Wechselkurs des Peso zum Dollar einführen. Ob das auf die Schnelle funktioniert, ohne die zweistellige Inflation weiter anzuheizen, weiß Prat-Gay wohl selbst noch nicht. Das Haushaltsdefizit liegt bei acht Prozent, die Devisenreserven sind weitgehend aufgebraucht. Prat-Gay hat erst einmal einen Kassensturz für jenen 10. Dezember angekündigt, an dem die neue Regierung ans Werk geht. "Erst dann wissen wir, was wirklich auf uns zukommt", sagt er.

Die Erwartungshaltung bei Unternehmern und Investoren ist in jedem Fall gewaltig. Prat-Gay hat schließlich schon einmal bewiesen, dass er komplizierte Situationen managen kann. Kurz bevor er 2002, mit gerade einmal 37 Jahren, zum Chef der Zentralbank berufen wurde, hatte sich Argentinien zahlungsunfähig erklärt. Binnen zwei Jahren (bis er von Staatschef Nestór Kirchner gefeuert wurde) gelang es Prat-Gay, die Währung des Pleitestaates zu stabilisieren und die Hyperinflation einzudämmen. Selbst seine Kritiker räumen ein, dass er damals gute Arbeit leistete.

Um das Kunststück zu wiederholen, schart er alte Bekannte um sich. Etwa den Staatssekretär Luis Caputo, mit dem er schon bei JP Morgan zusammenarbeitete. Auch Macri und Prat-Gay kennen sich lange. Beide lernten (genau wie Caputo) an der Eliteschule Colegio Newman, weshalb Spötter auch davon sprechen, dass nun die "Newman Boys" das Land im Griff hätten. Bewunderer wiederum attestieren Prat-Gay, einer der brillantesten Ökonomen seiner Generation zu sein. Ob er auch ein brillanter Politiker ist, muss sich noch erweisen. Auf diesem Feld ist er praktisch ein Berufsanfänger. Das zeigte sich kurz vor den Wahlen, als er öffentlich über die Schwäche der Argentinier lästerte, stets "unbekannte Caudillos aus entlegenen Provinzen" in den Präsidentenpalast zu wählen. Das war eine Anspielung auf den Kirchnerismus, dessen Wiege in Patagonien liegt. Prat-Gay steht seither im Ruf, ein elitärer Hauptstadt-Schnösel zu sein. Ein Firmenchef kann das verkraften. Einer, der ein Land regieren will, sollte sich Gedanken machen.

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