Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Bloß keine Kutteln

Rainer Neske war lange Privatkunden-Vorstand der Deutschen Bank. Am 1. November fängt er als Chef der LBBW an.

Von Meike Schreiber

Dass Rainer Neske einer ist, der gut Nein sagen kann, hat er bereits als Deutsche-Bank-Vorstand unter Beweis gestellt. Sehr deutlich sprach er sich Anfang 2015 dagegen aus, dass der Konzern die Postbank verkauft und damit die ohnehin lose Verankerung im Heimatmarkt weiter lockert. So deutlich, dass er sein Amt als Vorstand des Privatkundengeschäfts schließlich aufgeben musste - nach 25 Jahren im Hause.

Verkauft ist die Postbank bis heute zwar immer noch nicht. Neske aber versucht sich inzwischen in einem neuen Job im Neinsagen. Ab 1. November führt er die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Mit 11 000 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von 234 Milliarden Euro ist sie nicht nur die größte Landesbank der Republik, sie ist auch einer der wichtigen Geldgeber des Mittelstands und Hausbank für Tausende Privatkunden in Baden-Württemberg. In der Finanzkrise jedoch mussten das Land, die Stadt Stuttgart und die Sparkassen im Ländle das Institut mit fünf Milliarden Euro retten. Es hatte sich unter anderem am US-Häusermarkt verzockt.

Heute gilt die LBBW als saniert; hilflose Strategie-Schwenks à la Deutsche Bank hat sie vorerst nicht nötig. Kein Wunder, dass es bei Neskes erster Meinungsverschiedenheit vor Ort lediglich um die Kutteln ging, die sein Vorgänger Hans-Jörg Vetter - Schwabe durch und durch - kurzerhand zu einem Vorstandsessen servieren ließ. Bei Innereien soll die Bereitschaft des Westfalen, sich lokalen Gepflogenheiten anzupassen, an Grenzen gestoßen sein.

Abgesehen davon will sich der 52-Jährige nun jedoch ohne Berührungsängste seiner neuen Aufgabe im Ländle verschreiben. Schlimmer noch als die kulinarischen Herausforderung ist dabei jedoch, dass staatsnahe Gebilde wie die Landesbanken aus der Perspektive der Deutschen Bank eigentlich keine wirkliche Lebensberechtigung haben, genauso wenig wie ihre Miteigentümer, die Sparkassen. Vorgänger Vetter aber, der seine Karriere ebenfalls bei der Deutschen Bank begonnen hatte, hat die LBBW nach landläufiger Meinung erfolgreich wieder auf die Beine gebracht. Und spätestens seit der Finanzkrise haben es sich die Landespolitiker ohnehin eher abgewöhnt, ihre Landesbank mit unbotmäßigen Finanzierungswünschen zu nerven.

Das heißt jedoch keineswegs, dass sich Neske nun zurücklehnen kann. Schließlich erschweren Niedrigzins und Digitalisierung das klassische Bankgeschäft, und auch die LBBW wuchs zuletzt nur noch mit Trippelschritten. "Die Rahmenbedingungen für Banken bleiben auf absehbare Zeit anspruchsvoll", sagte Neske denn auch bei der Verkündung seiner neuen Aufgabe. An Vetters Kurs, einen Teil der Filialen zu schließen, wird Neske daher festhalten, und wie jeder andere Bankchef, der nur halbwegs etwas auf sich hält, arbeitet er bereits an einer Digitalisierungsstrategie. Zugute kommen wird ihm dabei, dass er selbst studierter Informatiker ist.

Die Schwäche seines Ex-Arbeitgebers dürfte ihm ebenfalls nützen. In den vergangenen Monaten soll es der LBBW überraschend leicht gefallen sein, neue Geschäfte in der Vermögensverwaltung an Land zu ziehen und mit Dax-Konzernen ins Gespräch zu kommen. Ehemalige Kollegen will Neske jedoch nicht im großen Stil nachholen, nachdem er bereits den Posten des Kapitalmarktchefs mit seinem Vertrauten Christian Ricken besetzt hat.

Auch nach Stuttgart ziehen wird Neske vorerst nicht. Am Wochenende pendelt er in den Taunus, wo die Familie wohnt. Das jüngste von drei Kindern geht noch zur Schule, und seine Frau, ebenfalls Ex-Deutsch-Bankerin, ist dort Partnerin einer Investmentboutique. Das patriarchalische System sei eben längst abgewählt in seiner Familie, soll Neske dazu einmal achselzuckend gesagt haben.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2016
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