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Gunnar Froh: "Es gibt einen Goldrausch bei den Mobilitäts-Services - und wir verkaufen die Schaufeln." (Foto: oh)

Gunnar Froh setzt mit seinem Start-up auf neue Mobilität. Er und sein Team entwickeln Software für Mobilitätsdienstleister und wollen von der Sharing-Economy profitieren. Zu den wichtigsten Kunden könnten bald die Kommunen gehören.

Von Katharina Kutsche

Carsharing rechne sich in vielen Städten nicht, ergab eine Studie, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde und nicht nur bei Anhängern der Teilautos für Diskussionen sorgte. Gunnar Froh hat andere Erfahrungen. Sein Start-up "Wunder Mobility" bietet Betriebssysteme, Apps und Softwareplattformen für verschiedene Mobilitätsvarianten: ein Produkt für ortsunabhängige Teilautoanbieter etwa, eines für Fahrgemeinschaften, eines für das Verwalten von Parkraum. "Es gibt einen Goldrausch bei den Mobilitätsservices - und wir verkaufen die Schaufeln", sagt der Gründer.

Froh, 36, studierte Wirtschaft und arbeitete bei der Unternehmensberatung McKinsey. 2009 gründete er in Koblenz Accoleo, eine Zimmervermittlung wie Airbnb. Das Unternehmen aus San Francisco, seit 2008 auf dem Markt, wollte schnell wachsen und übernahm 2011 Accoleo mitsamt Froh und seinem Team, das nach Hamburg zog. Durch die Akquise entstand Airbnbs erster Standort in Europa, Froh war dort für die Internationalisierung zuständig. Innerhalb der drei Jahre, die er bei Airbnb arbeitete, wuchs das Unternehmen von 35 auf 1500 Mitarbeiter. Froh nutzte die vielen Reisen nach San Francisco auch dafür, möglichst viele Gründer zu treffen, darunter jene des Ridesharing-Start-ups Lyft.

Inspiriert von Lyft gründete er erneut: Wunder Car, im März 2014 startete der Dienst für Mitfahrgelegenheiten in Berlin und Hamburg - fast zeitgleich mit Ubers Start in Deutschland. Deren rechtliche Probleme, Fahrten per App an Menschen zu vermitteln, betrafen auch Wunder Car. Es gab Proteste vor dem Büro des Start-ups, nach sechs Monaten knickte das Team vorerst ein. "Das war sehr spannend, aber so konnten wir in Deutschland kein Ridesharing aufbauen. Daher haben wir früher als geplant internationalisiert", sagt Froh.

Zunächst bot Wunder Car Ridesharing in Budapest, Warschau und Prag an. 2016 kamen Mitfahrgelegenheiten dazu, englisch Carpooling, erst als Pilotprojekt in der philippinischen Hauptstadt Manila, im Folgejahr auch in Indien. Innerhalb eines Jahres vermittelte das Start-up zwei Millionen Fahrten. Seit 2018 heißt das Unternehmen Wunder Mobility, mit Carpool, Shuttle, Park, Rent und Fleet im Portfolio. "Wir versuchen, von einem Megatrend zu profitieren, aber uns nicht von einem Produkt abhängig zu machen."

Die einzelnen Services sind Lizenzprodukte, die Unternehmenskunden auch mit dem eigenen Markennamen und -logo versehen können; der Elektro-Scooter-Verleiher Emmy und das Carsharing-Start-up Miles, beide aus Berlin, nutzen die Apps von Wunder. Die Einnahmen aus den Lizenzgebühren wachsen, Froh erwartet in diesem Jahr einen Umsatz von 20 bis 25 Millionen Euro. Mit zusätzlichem Kapital von Investoren will Wunder weiter wachsen. In den vergangenen Monaten habe er bis zu drei neue Kunden pro Woche gewonnen, zuletzt ein Shuttle-Unternehmen aus Texas und ein privates Carsharing aus Kalifornien. 160 Mitarbeiter aus 35 Nationen gehören zum Team, das von Hamburg, Dortmund und Los Angeles aus arbeitet; etwa die Hälfte der Mitarbeiter programmiert.

Das Wunder, das Froh vollbringen will, ist, zeitgemäße Mobilitätskonzepte voranzutreiben und den Verkehr nachhaltiger zu gestalten. Zum zweiten Mal veranstaltet er im Herbst den Wunder Mobility Summit in Hamburg, bei dem Experten und Gründer zusammenkommen und Gedanken austauschen. Froh selbst geht davon aus, dass gerade die Kommunen in Zukunft die wichtigsten Kunden von Mobilitätsdiensten sein werden. Und wenn das so komme, seien Sharing-Modelle letztlich öffentlicher Nahverkehr.

Korrektur: Wunder Car startete in Berlin und Hamburg und beschäftigt heute 160 Mitarbeiter in Hamburg, Dortmund und Los Angeles. In einer früheren Version des Textes waren manche Städteangaben falsch.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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