Nahaufnahme:Biker aus dem Museum

Nahaufnahme: Jochen Zeitz: „Der Verwaltungsrat und das Führungsteam von Harley-Davidson werden bei der Suche nach einem neuen Vorstandschef eng zusammenarbeiten.“

Jochen Zeitz: „Der Verwaltungsrat und das Führungsteam von Harley-Davidson werden bei der Suche nach einem neuen Vorstandschef eng zusammenarbeiten.“

(Foto: David Ebener/dpa)

Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz hat einen neuen Job: Er soll den schwer angeschlagenen Motorradhersteller Harley Davidson retten.

Von Uwe Ritzer

Eine Comeback? Nein, versichern alle Beteiligten, ganz bestimmt nicht, nur eine Übergangslösung. Aber wer weiß - vielleicht zieht es Jochen Zeitz, 56, ja doch zurück ins Managerleben. Vielleicht braucht der frühere Puma-Chef eine neue berufliche Herausforderung. Vielleicht reicht es ihm nicht mehr, das Leben als Kunst-Sammler, Familienvater und Ranch-Besitzer, die ständige Pendelei zwischen London, Paris, Kapstadt und Kenia. Und nicht zu vergessen zwischendurch auch nach Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin.

Dort hat der legendäre Motorrad-Hersteller Harley Davidson seine Zentrale, den eine Ikone zu bezeichnen sicher nicht falsch ist, auch wenn der Begriff an sich überstrapaziert wird. Seit 116 Jahren gibt es den Zweiradbauer, der spätestens seit dem Film "Easy Rider" 1969, als Peter Fonda auf einer Harley durch den weiten, amerikanischen Westen cruiste, wie kein anderer den ganz großen Traum von Freiheit symbolisiert. Seit 13 Jahren sitzt Jochen Zeitz im Aufsichtsrat von Harley Davidson. Den Posten übernahm er, als er noch Chef des deutschen Sportartikelherstellers Puma war. Nun übernimmt er den Vorstandsvorsitz bei Harley. Nur vorübergehend, heißt es offiziell.

Wie lange auch immer - der Job will auf den ersten Blick so gar nicht zu dem Thema passen, das Zeitz bei seinen wenigen, wohldosierten öffentlichen Auftritten und Interviews in den vergangenen Jahren gerne in den Mittelpunkt rückte: Nachhaltigkeit. Gar den "Dalai Lama der Wirtschaft" nannte ihn ein Magazin, das es inzwischen allerdings nicht mehr gibt. Laute, spritfressende Motorräder im Einklang mit der Umwelt? Doch, doch, versicherte Zeitz erst vorigen Sommer, das passe schon. Gerade Harley Davidson denke groß, ganz neu und in die Zukunft. Und im Übrigen klänge das erste E-Bike der Marke eher wie ein Düsenjet als wie ein Motorrad.

Was alles nichts daran ändert, dass Harley Davidson in der Krise steckt. Seit fünf Jahren sinken die Verkäufe. Die vorwiegend männliche Kundschaft überaltert. Die aggressive Handelspolitik von Donald Trump führte dazu, dass Europäer und Chinesen im Gegenzug höhere Einfuhrzölle auf Harley-Importe verlangen, was die Maschinen verteuert. Apropos Trump: Wegen Produktionsverlagerungen von Harley ins Ausland giftet der US-Präsident gerne öffentlich gegen die Firma, was zu Boykottaufrufen seiner Unterstützer führte.

Als Folge von alledem muss nun Matt Levatich nach insgesamt 26 Harley-Jahren und davon fast fünf als Firmenlenker gehen und Jochen Zeitz übernimmt. Der Arztsohn und Hobbyjäger kennt sich mit Firmen in Not aus. Als er 1993 mit gerade mal 30 Jahren den Chefposten bei Puma übernahm, schien die angestaubte Sportartikelmarke am Ende. Doch Zeitz, der ein halbes Dutzend Sprachen spricht, machte daraus eine trendige Sportmodemarke, einen Milliardenkonzern und aus sich einen der bestbezahltesten deutschen Manager. Dann allerdings ging es abwärts. Puma hatte vor lauter Mode an sportlicher Identität verloren. 2011 trat Zeitz ab und verabschiedete sich zum damaligen Puma-Mutterkonzern Kering nach Paris.

In den folgenden Jahren sortierte Jochen Zeitz sein Leben neu, verlagerte seine Aktivitäten vor allem nach Afrika und widmete sich der Kunst. Im Hafen von Kapstadt (Südafrika) schuf er eines der wichtigsten Museen für zeitgenössische afrikanische Kunst. Zuvor hatte er auf einem Teil seiner 200 Quadratkilometer großen Ranch in Kenia ein Luxus-Ressort für Urlauber eröffnet. Ob er dort in nächster Zeit viel Zeit verbringt, ist fraglich. Bei Harley Davidson geht es ums Überleben. 2020, das gab ihm sein Vorgänger Levatich noch mit auf den Weg, sei für die Firma das entscheidende Jahr.

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