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Nahaufnahme: Phil Hogan: "Nie haben so wenige so viel Schaden für so viele angerichtet."

Phil Hogan: "Nie haben so wenige so viel Schaden für so viele angerichtet."

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

EU-Agrarkommissar Phil Hogan, er stammt aus Irland, wettert gerne gegen den britischen Premier Boris Johnson und den Brexit.

Von Björn Finke

Als Kind fuhr Phil Hogan gerne Traktor auf dem elterlichen Hof. Später durfte der Ire sich auch um die Kuhherde kümmern, und nach dem Wirtschaftsstudium in Cork übernahm er als ältester Sohn den Betrieb. Doch nur kurz, denn seine Leidenschaft gehört der Politik. Hogan, 59, wurde schon mit 25 Jahren zum damals jüngsten Chef eines irischen Kreistags gewählt, in Kilkenny im Südosten der Insel. Mit 28 Jahren rückte er für die konservative Partei Fine Gael ins Dáil Éireann ein, ins irische Parlament. Seit 2014 mischt "Big Phil", wie der fast zwei Meter große Politiker genannt wird, nun in Brüssel mit als EU-Agrarkommissar.

Das Amt passt zu Hogans Herkunft - und es ist wichtig: Zwar spielen Landwirte keine große Rolle für Europas Wirtschaft, aber die Agrarsubventionen, für die der Ire zuständig ist, sind der mit Abstand dickste Posten im EU-Haushalt. Allerdings wird sich Hogan bald vermutlich um andere Themen kümmern. In der neuen Kommission, welche die künftige Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen gerade zusammenstellt, soll Hogan nach dem Willen Dublins eins der Wirtschaftsressorts erhalten. Er wird etwa als Handelskommissar ins Spiel gebracht.

Das wäre pikant, denn in dieser Rolle müsste er mit dem baldigen Nicht-Mitglied Großbritannien über einen Freihandelsvertrag diskutieren. Treten die Briten geordnet aus - wonach es im Moment nicht aussieht -, beginnt eine Übergangsphase, in der sich nichts ändern soll und in der die EU und das Königreich solch ein Abkommen über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen abschließen wollen. Doch selbst im Falle eines Chaos-Brexit würden Brüssel und London irgendwann über Regeln für den Handel sprechen müssen.

Die britische Regierung würde sicher gerne darauf verzichten, dann mit Hogan zu tun zu haben. Der Ire gilt nicht nur als geschickter Verhandler, sondern ist auch ein lautstarker Kritiker von Londons Brexit-Kurs. Dass der Austritt gar nicht zum Portfolio eines Agrarkommissars gehört, hat seine Meinungsfreude nicht mindern können. Der Konservative ist ein Vertrauter des irischen Premiers Leo Varadkar, ein Parteifreund. Und Hogans Attacken auf London dürften der irischen Regierung gefallen. Schließlich lehnt Dublin die Forderung des britischen Premiers Boris Johnson vehement ab, eine Klausel aus dem Austrittsvertrag zu streichen, die eine unsichtbare Grenze zwischen Irland und Nordirland garantieren soll.

In einer Rede in Irland griff Hogan Johnson jetzt persönlich an. Er sagte, dass Theresa May, eine "demokratisch gewählte Premierministerin", der Klausel zugestimmt habe. Klausel-Gegner Johnson hingegen sei "ein ungewählter Premierminister", was ebenso korrekt wie unfreundlich ist. Tatsächlich wurde Johnson nur von der Parteibasis der Konservativen zum Regierungschef gekürt, nicht vom Wahlvolk. Sollte der Premier das Königreich wirklich ohne gültigen Vertrag aus der EU lotsen, würde das zu einer "üblen Atmosphäre" führen und "ernste Folgen" für die Gespräche über einen Handelsvertrag haben - eine unverhohlene Drohung des möglichen neuen Handelskommissars.

Am meisten dürfte Johnson aber Hogans Umwidmung eines Churchill-Zitats ärgern. Der Brite verehrt Churchill, und der Kriegspremier hatte in einer berühmten Rede gesagt, dass nie in der Geschichte menschlicher Konflikte so viele so vieles so wenigen verdankten - damit pries er die Piloten der Royal Air Force, die das Königreich gegen die deutsche Luftwaffe verteidigten. Hogan sagte nun, bei einem chaotischen Brexit gelte für die britische Regierung eine Abwandlung des Ausspruchs: "Nie haben so wenige so viel Schaden für so viele angerichtet."

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