Nahaufnahme:Bauernjunge in Washington

SZ-WIRSeite 1

"Wenn der Deal erst mal abgenickt ist, haben wir kaum noch Möglichkeiten, uns zu wehren", sagt Mark Watne.

(Foto: oh)

Warum Landwirt Mark Watne aus den USA gemeinsam mit Hunderten Bauern Bayers Monsanto-Übernahme verhindern will.

Von Kathrin Werner

Mark Watne gehört hier nicht hin. Washington ist ihm zu voll, in der Hauptstadt der USA leben mehr Menschen pro Quadratkilometer als in seinem ganzen Heimatstädtchen. "Ich bin eben ein Bauernjunge aus North Dakota", sagt er. Seit er 18 Jahre alt ist, bewirtschaftet er Land. "Es ist in meinem Blut, ich hätte nichts anderes machen wollen."

Als er noch ganz jung war, hat er auch gemerkt, dass Bauern in harten Zeiten zusammenhalten müssen. Seitdem ist er in dem Verband Farmers Union aktiv, seit drei Jahren als Präsident in North Dakota, und muss zwei bis drei Mal im Jahr nach Washington. Gerade ist der 54-Jährige wieder da, es sind wieder harte Zeiten: Er kämpft dafür, dass die Politiker verhindern, dass Bayer den Saatgut-Konzern Monsanto übernimmt. Denn dann würden die Preise für Agrarprodukte steigen, glaubt er. "Wir wollen keine Monopole." Gemeinsam mit 275 anderen Bauern trifft er in dieser Woche die große Politik, unter anderem den Landwirtschaftsminister. Seine Bauernkollegen und er wollen nicht zulassen, dass die Entscheidung über den Zusammenschluss der Agrarkonzerne ohne sie getroffen wird. "Wenn der Deal erst mal abgenickt ist, haben wir kaum noch Möglichkeiten, uns zu wehren", sagt er. "Die Politiker müssen uns jetzt zuhören." Die Bauern laufen in kleinen Teams von Büro zu Büro und erzählen jedem einzelnen Abgeordneten von ihren Sorgen. Sie schleppen stapelweise Informationsmaterial durch das Kuppelgebäude, in jedem Büro lassen sie ein dickes Paket zurück. Watne, der Bauernjunge, gehört hier nicht hin, aber er will den Politikern erklären, wie es Bauern wie ihm geht, Tausende Meilen entfernt von Washington.

Watne kommt aus dem Herzen der amerikanischen Landwirtschaft, den Great Plains. Anfang des 20. Jahrhunderts machten Siedler die Prärie zu ihrem neuen Heim. Der Blick reicht weit über Gras und Felder, ein paar flache Hügel, kaum irgendwo ein Baum. Straßen und Staatengrenzen wurden einst mit dem Lineal gezogen. Watnes Hof ist ein Familienunternehmen, seit sein Urgroßvater 1903 hier zum ersten Mal aussäte. Watne ist Teil der vierten Generation und hält die erste Urkunde seines Urgroßvaters in Ehren, gezeichnet vom 26. Präsidenten der USA, Teddy Roosevelt, der der Familie das Land zusprach. Watne bewirtschaftet den einen Teil des Landes, sein Bruder und dessen Söhne den anderen. Sein Vater hilft noch mit, so gut er kann. Einer von Watnes Söhnen ist im College und überlegt, die Farm zu übernehmen. "Aber das geht nur, wenn er da Geld verdienen kann", sagt Watne.

Die Watnes bauen Sojabohnen, Mais, Weizen, Gerste, Raps und Sonnenblumen auf 6000 Hektar an. Ihr Hof ist groß und hat über Jahre gute Gewinne gebracht, dieses Jahr aber werden sie Verlust schreiben, sagt Watne. Dabei ist die Ernte bislang ganz vernünftig. Das Problem sind nicht Sonne, Regen, Erde und Saat, das Problem sind die Preise: Für seinen Mais etwa bekommt Watne nur noch halb so viel wie vor drei oder vier Jahren, aber die Kosten sind nicht gesunken. Das liege daran, dass die Hersteller von Saatgut, Düngemittel und all dem, was er einkaufen muss, schon jetzt zu viel Macht hätten. Was wäre dann erst, wenn Monsanto und Bayer ein Unternehmen würden?

Die Watne-Familie hat genug gespart, um ein Jahr mit Verlust zu verkraften, aber er sorgt sich um seine Nachbarn, die jünger sind und weniger Erspartes haben. "Die werden aus dem Geschäft gedrängt." Übernehmen würden Großbauern, regelrechte Industriebetriebe, es droht ein Ende der Familienfarm. "Es geht um unsere Gemeinschaft", sagt Watne. "Und die Frage, woher unser Essen in Zukunft kommt."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: