Nahaufnahme:Aus der Spur

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Danilo Toninelli: „Ich habe den Widerruf der Lizenz meines Friseurs widerrufen.“ (Foto: dpa)

Italiens Verkehrsminister Danilo Toninelli muss sich um die Folgen des Brückeneinsturzes in Genua kümmern, doch er blamiert sich ständig aufs Neue.

Von Ulrike Sauer

Um seine tollen Locken beneiden Danilo Toninelli viele Leute. Mit dem Foto, das er aus dem Salon seines Friseurs auf Instagram gepostet hat, zog der italienische Verkehrsminister aber viel Häme auf sich. Es zeigt ihn nach dem Haarschnitt. Darunter steht: "Ich habe den Widerruf der Lizenz meines Friseurs widerrufen". Wie bitte? Reißt der Minister, der seit dem Einsturz der Todesbrücke in Genua dem Mautkonzern Autostrade die Konzession zum Betrieb der italienischen Autobahnen abknöpfen will, über das Unglück Witze? So ist es wohl. Denn unter den Locken des Frontmanns der populistischen Partei Cinque Stelle verbirgt sich eine erschreckende Ahnungslosigkeit.

44 Tage nach der Tragödie, die Italiens wichtigsten Hafen vom Autobahnnetz abgeschnitten hat und Genua den Verkehrsinfarkt bescherte, wartet das Land immer noch auf Toninellis Eilverordnung zum Wiederaufbau der Brücke. Dafür sind seine Torheiten an der Tagesordnung. Da saß der 44-Jährige beim Altmeister der italienischen Talkshow Bruno Vespa im Fernsehstudio. Die beiden posierten an einem Modell der Brücke, die am 14. August 43 Menschen in den Tod gerissen hat, und grinsten in die Kamera. Die Taktlosigkeit empörte viele Italiener und zeigte einmal mehr: Seit die Vertreter der Protestpartei an den Hebeln der Macht sitzen, fühlen sie sich bei den ehemals der Hörigkeit gegenüber der herrschenden Politikerkaste bezichtigten Fernsehsendern pudelwohl. Sie sind dort Dauergäste und die Stars der sozialen Netzwerke.

Im Falle Toninellis ist diese Omnipräsenz heikel. Die Autobahnkatastrophe war für den unerfahrenen Minister für Verkehr und Infrastrukturen eine harte Bewährungsprobe. Er stellte sich ihr mit der Überheblichkeit, die zum Habitus der Neuen in Rom geworden ist. Da beschwert sich Toninelli im Parlament darüber, dass er unter Druck gesetzt worden sei, die Lizenzverträge mit den Autobahnbetreibern geheim zu halten. Das ist ein brisanter Vorwurf. Für den Minister wird er zum Bumerang. Nach längeren Ausflüchten muss er mit der Wahrheit rausrücken. Der betreffende Brief der Betreiber-Lobby war schon im Januar im Ministerium eingetroffen, fünf Monate bevor die Koalition aus Cinque Stelle und Lega überhaupt ins Amt kam.

Der Fauxpas mildert seine Arroganz keineswegs. Auf Twitter klagt er das Mautunternehmen an, die Kosten der Katastrophe auf die Mitarbeiter abzuwälzen. Dabei handelte es sich bei der von ihm gerügten Spendensammlung um eine spontane Aktion der Beschäftigten selbst. Auf dem Kurznachrichtendienst zog sich Toninelli so den Namen Toni Nulla zu.

Die Ausrutscher offenbaren, dass die Cinque Stelle noch immer im Oppositionsmodus agieren. Fünf Jahre konnten sich Leute wie Toninelli im Parlament als Feinde des Establishments profilieren. Sie waren überzeugt, dass diese Pose sie davon befreit, Anklagen mit Fakten untermauern zu müssen. Zudem beförderte die junge Partei Blitzkarrieren. Italiens Verkehrsminister arbeitet nach dem Jurastudium zunächst als Carabiniere. Dann stellt ihn eine Versicherung als Inspektor ein. In Crema scheitert er 2012 am Einzug in den Stadtrat. Ein Jahr später schafft er es ins Parlament in Rom. Anfang 2018 schreibt er im Lebenslauf: "Man kennt mich als zuverlässigen, zielstrebigen Menschen". Am 1. Juni ist er plötzlich Minister.

Die Selbstüberschätzung spielt Toninelli übel mit. Die Experten, die er zur Aufklärung des Brückeneinsturzes berief, mussten wieder abtreten. Sie waren selbst ins Visier der Staatsanwälte geraten. Seine Mission, dem Autobahnbetreiber die Lizenz wegzunehmen, stößt auf Hindernisse. "Sie versuchen, die Cinque Stelle zu stoppen", behauptet der Minister.

© SZ vom 27.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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