Nahaufnahme:Alter als Chance

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Marina Zubrod: "Die Zielgruppe ist nicht sexy. Alter wird mit Tod assoziiert, selbst wenn es noch längst nicht soweit ist." (Foto: oh)

Marina Zubrod will mit Senioren Geld verdienen. Weil ihrer Ansicht nach Innovationen in der Branche fehlen, hat sie eine Messe gegründet, die Akteure zusammenbringen soll.

Von Kathrin Werner

Eigentlich war das Thema Senioren keine naheliegende Wahl für Marina Zubrod. Sie ist gerade einmal 30 Jahre alt, ihre Eltern sind noch jung. Sie hat nichts Passendes studiert und keine Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht. Dass sich Zubrod mit älteren Menschen beschäftigt, liegt daran, dass sie Zahlen und Märkte liebt und immer auf der Suche nach Geschäftsideen ist. "Ich bin Unternehmerin, wenn ich irgendwo Potenzial sehe, mache ich mich an die Arbeit", sagt sie.

Zubrod hat Betriebswirtschaft an der Privatuni EBS studiert, danach war sie Investmentbankerin in Frankfurt und London. Sie hat wahnsinnig viel gearbeitet, sehr gut verdient, aber irgendwann wurde es ihr zu viel. "Als ich schon von Montag bis Freitag 100 Stunden auf dem Buckel hatte, war es genug", sagt sie. Nach Stationen in zwei Unternehmen und als Chefin eines Versicherungs-Start-ups machte sie sich selbständig als Unternehmensberaterin in Hamburg, hauptsächlich berät sie Finanzunternehmen wie ING-Diba, Schufa oder Signal Iduna. "Eigentlich war mir schon immer klar, dass ein Angestelltenverhältnis nicht das ist, was ich möchte", sagt sie. Ihr Vater ist selbständiger Handwerker, ihre Mutter hat eine Gebäudereinigungsfirma, Unternehmertum liege ihr im Blut, sagt sie. Über ein Projekt für ältere Kunden bei der Bank ING stieß sie auf ihr Thema: Senioren als Zielgruppe.

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Zubrod rattert Fakten herunter: "Leute jenseits der 60 leben im Schnitt noch genauso lang, wie sie von Geburt bis zum Studienabschluss gebraucht haben. Ihre Kaufkraft ist am höchsten. Diejenigen, die jetzt Senioren werden, sind schon seit zehn oder 15 Jahren mit Technik vertraut, schreiben E-Mails, buchen Reisen online." Trotz alldem kümmerten sich Unternehmen lieber um junge Kunden als um die Älteren. "Die Zielgruppe ist nicht sexy", sagt Zubrod. "Alter wird mit Tod assoziiert, selbst wenn es noch längst nicht so weit ist." Außerdem sei es nicht so einfach, ältere Menschen mit digitalen Produkten zu erreichen, Marketingmanager beschäftigen sich vor allem mit den Jungen, glaubt sie. "Wie man ältere Leute anspricht, um zum Beispiel ein neues Hörgerät bei Facebook zu vermarkten, wissen viele einfach nicht."

Zubrod sieht das als Chance. Sie will Unternehmen beraten und Start-ups, die zum Beispiel Vitalwertemess-Apps oder Tablets für Senioren entwickeln, mit größeren Firmen zusammenbringen, etwa Altersheimbetreibern oder Versicherern. Bislang fehle der Austausch, die "Senioren-Branche" nehme sich nicht als Branche wahr. Also gründete Zubrod eine Messe, die sie Silventa getauft und gleich zur "Leitkonferenz für Digitalisierung und Innovation im Seniorenmarkt" ernannt hat. Sie findet im April zum ersten Mal in Hamburg statt. "Das Marktvolumen, das Potenzial für Innovationen, man kann hier richtig etwas bewegen", sagt sie. "Ob ich den nächsten Roboadviser gründe oder nicht, ist egal. Wie die Zukunft unserer Eltern und Großeltern aussieht, bewegt alle." Es ist ihr wichtig, dass sich der Blick auf ältere Menschen ändert, dass deren Wünsche ernst genommen werden.

Sich nur darum zu kümmern, wäre ihr aber nicht genug. "Ich bin ein sehr rastloser Mensch, mir wird nie langweilig", sagt sie. Also gründete sie Matica, eine Marke für Naturkosmetik. 2019 nahm sie schon einen fünfstelligen Betrag ein - und das, obwohl sie das Start-up ohne Fremdkapital aufzieht. Viele Investoren benachteiligen Gründerinnen. "Und je weiblicher die Geschäftsidee, desto schlimmer." Deshalb wächst Matica nur so schnell, wie Zubrod es mit anderem Einkommen finanzieren kann. Und wenn mal etwas nicht klappt, ist es auch nicht so schlimm, sagt sie. "Aufstehen, weitermachen, das ist eben Unternehmertum."

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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