Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Alles für die Familie

Seit vier Jahren leitet Alexandre Ricard den Spirituosenkonzern, bei dem seine Familie noch größter Aktionär ist. Doch nun muss er um die Macht kämpfen.

Von Leo Klimm

Er sei "ein Konzernchef, der nichts zu verbergen hat", sagt Alexandre Ricard. Er meint das wörtlich: Vor einem Jahr zeigte sich der Chef des französischen Spirituosenanbieters Pernod Ricard in einem unternehmensinternen Video zum Start einer Werbekampagne splitternackt, genau wie einige seiner Mitarbeiter. Das sollte Transparenz bei der Herstellung von Wodka der Marke Absolut symbolisieren, die zu Pernod Ricard gehört.

Nun sieht sich der Firmenlenker mit der Forderung nach einer anderen Form von Transparenz konfrontiert. Sie zu erfüllen, könnte weit unangenehmer sein als körperliche Nacktheit. Es geht um nichts weniger als um die Macht der Gründerfamilie Ricard über den Konzern, der auch Whisky von Ballantine's und Chivas, Rum von Havana Club und Beefeater Gin produziert.

Denn Alexandre Ricard hat es seit Kurzem mit dem berüchtigten US-Investmentfonds Elliott zu tun. Dessen Spezialität ist es, Konzernen Strategiewechsel aufzuzwingen. Im Herbst ist Elliott bei Pernod Ricard eingestiegen - er hält zwar nur 2,5 Prozent der Anteile, doch das reicht diesem sogenannten aktivistischen Investor, um Ricard mit Vorwürfen unter Druck zu setzen, die weitere Aktionäre hellhörig machen. Die Unternehmensführung, so die Kritik, sei "unangemessen". Gemeint ist: undurchsichtig. Der Ricard-Clan habe im Verhältnis zu seinem Kapitalanteil in Höhe von 15 Prozent viel zu großen Einfluss. Dem Verwaltungsrat fehlten unabhängige Mitglieder. Die Rendite sei zu schwach, verglichen mit der des britischen Weltmarktführers Diageo, der die Marken Johnnie Walker und Guinness vertreibt. Eine heftige Vorwurfssalve, die Ricard ernst nehmen muss. Vor ein paar Tagen sah er sich zu einem Treffen mit Vertretern von Elliott genötigt.

Ricard, 46, verfolgt zwei große Ziele. Erstens: Diageo die Weltherrschaft im Geschäft mit Spirituosen abzujagen; diesen Auftrag hat er von seiner Familie bekommen, als er 2015 an die Unternehmensspitze trat, und Elliott dürfte damit kaum Probleme haben. Das zweite Ziel aber lautet: Die Ricards müssen die volle Kontrolle über den Konzern mit einem Jahresumsatz von neun Milliarden Euro haben. Das sorgt für Streit mit dem aggressiven Investor.

Ricard, ein stiller Typ mit fast schüchternem Rehaugen-Blick, bezeichnet Pernod Ricard gern als "Familienunternehmen". Börsennotierung hin oder her. Gleich im Eingang der Pariser Konzernzentrale hängt mahnend ein übergroßes Porträt seines Großvaters Paul Ricard, der 1932 ein massentaugliches Rezept für den französischen Anisschnaps Pastis erfand und so den Erfolg begründete. Der Enkel wurde von Jugend an darauf trainiert, einmal die Firmenleitung zu übernehmen, um das Erbe des Ahnen zu mehren: Aufgewachsen in Frankreich, Andorra und in den USA, besuchte er mehrere Business Schools. Mit 33 Jahren wirkte er an seiner ersten Milliardenübernahme mit. Später leitete er das wichtige Duty-free-Geschäft in Asien. "Es ist schwerer, den Ansprüchen der eigenen Familie zu genügen als fremden Aktionären", sagte Alexandre Ricard einmal. Wenn er sich da nicht getäuscht hat.

Die Antwort von Pernod Ricard auf die Attacken von Elliott ist trotzig. Der Chef habe doch längst unabhängige Verwaltungsräte berufen lassen, heißt es. "Pernod Ricard braucht niemandes Rat, um die permanente Verbesserung der Unternehmensführung anzustreben", sagt ein Firmensprecher. Trotzdem zeigt sich Ricard kompromissbereit. Schon in dieser Woche könnten Verwaltungsräte ausgetauscht werden - allerdings solche, die keine Bande mit der Schnapsdynastie haben. Und für die Konzernspitze gilt sowieso der Slogan, mit dem das Unternehmen einst seinen Pastis pries: "Un Ricard, sinon rien." Ein Ricard, sonst nichts.

In einer früheren Version dieses Textes hieß es, der britische Pernod-Ricard-Konkurrent Diageo vertreibe Marken wie Campari und Guinness. Tatsächlich ist Campari ein eigenständiger Spirituosenanbieter. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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SZ vom 22.01.2019
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