Nahaufnahme:Abgang mit offenen Fragen

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Tidjane Thiam: "Ich bin stolz darauf, was die Credit Suisse während meiner Zeit bei der Bank erreicht hat." (Foto: dpa)

Bei der Schweizer Großbank Credit Suisse endet die Ära von Tidjane Thiam - in Zeiten hoher Gewinne.

Von Isabel Pfaff

Am Ende nimmt Tidjane Thiam den Hinterausgang. Kurz lässt er sich noch von einer Reporterin aufhalten, schüttelt ein paar Hände, dann ist er weg. Nicht ganz fünf Jahre war der gebürtige Westafrikaner Konzernchef der Credit Suisse, der zweitgrößten Bank der Schweiz. An diesem Donnerstagmorgen in Zürich präsentiert er der Presse zum letzten Mal in gewohnt schroffer Manier die Jahresergebnisse der Bank. Am Freitag ist Schluss für ihn.

Als Thiam, 57, die Credit Suisse im Sommer 2015 übernahm, wurde er als eine Art Heilsbringer gefeiert. Als einer, der im Banking auch mal querdenkt. Der studierte Ingenieur hatte keine klassische Bankenkarriere hinter sich, als er nach Zürich kam. Nach dem Studium in Frankreich und einem Berufseinstieg bei McKinsey kehrte er in den Neunzigerjahren in seine Heimat Elfenbeinküste zurück, leitete dort eine Staatsagentur für Infrastruktur, stieg kurzzeitig sogar zum Entwicklungsminister auf. Ein Militärputsch beendete seine politische Karriere. Thiam ging nach Europa zurück, stieg in die Versicherungsbranche ein. Bis zu seinem Umzug nach Zürich leitete er sechs Jahre lang den britischen Versicherer Prudential und baute dort sehr erfolgreich das Asien-Geschäft aus.

In der Schweiz, wo man schwarze Konzernchefs ähnlich selten antrifft wie in Deutschland, weckte Thiams Ankunft an der Spitze der Credit Suisse Neugier, doch Wirtschaftsleute und Medien sahen von Beginn an davon ab, Herkunft und Hautfarbe des neuen Spitzenbankers groß zum Thema zu machen. Stattdessen erhoffte man sich viel von dem Mann mit dem glänzenden Ruf. Der Zustand der Credit Suisse war 2015 nicht rosig, eine Sanierung dringend nötig. Thiam legte ein Sparprogramm auf, kümmerte sich um risikoreiche Altlasten und bezahlte Milliarden-Bußen für frühere Verfehlungen. Gleichzeitig baute er die Struktur der Bank um: Aus zwei Divisionen wurden fünf, die ertragsmäßig stabilere Vermögensverwaltung wurde ausgebaut, die unberechenbare Handelsabteilung zurückgestutzt. Thiam erhöhte auch das Eigenkapital der Bank. Der Preis für so viel Aufräumarbeit: Jahre des Verlusts und ein fast halbierter Aktienkurs. Erst Anfang 2019 konnte Thiam zum ersten Mal einen Gewinn verkünden. Verabschieden darf er sich nun sogar mit noch besseren Zahlen, die nahelegen, dass die Sanierung geglückt ist: 3,4 Milliarden Franken Gewinn, fast 70 Prozent mehr als im Vorjahr.

"Ich bin stolz darauf, was die Credit Suisse während meiner Zeit bei der Bank erreicht hat", lässt sich Thiam in der Pressemitteilung zitieren. "Wir haben die Credit Suisse erfolgreich transformiert."

Tatsächlich ist es nicht seine Leistung, über die Thiam letztlich gestolpert ist. Die Entscheidung für seinen Abgang hat mit jener filmreifen Überwachungsaffäre zu tun, die die Schweizer Bankenwelt seit vergangenem September in Atem hält: Zwei ehemalige Führungsfiguren der Credit Suisse wurden nachweislich im Auftrag der Bank beschattet. Obwohl Thiam bis heute bestreitet, davon gewusst zu haben, musste er letztlich doch die Verantwortung übernehmen und vor wenigen Tagen seinen Rücktritt anbieten.

Und was kommt jetzt? "Morgen gehe ich und erhole mich", lautet Thiams schmallippige Antwort am Donnerstag. Mehr will der Vater von zwei Söhnen nicht über seine Zukunft sagen. Es sei ihm noch nie darum gegangen, sich unentbehrlich zu machen, fügt er noch an, lieber wolle er etwas aufbauen, das bleibt. Dass ihm das gelungen ist, davon ist Thiam überzeugt.

Warum er dann überhaupt gehe? Thiams Ton wird bitter. Der Verwaltungsrat entscheide über die Konzernführung, sagt er. "Ich kann nicht ändern, wo ich stehe." Dann packt er zusammen und verlässt eilig den Saal.

© SZ vom 14.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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