Nahaufnahme:Ab in die Schweiz

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"Meine Amtszeit bestand zum großen Teil aus Ausnahmejahren mit sehr harten finanziellen und strategischen Maßnahmen." Martin Blessing. (Foto: dpa)

Der scheidende Commerzbank-Chef Martin Blessing geht im September dieses Jahres zur UBS. Damit wird das Schweizer Bankhaus noch ein Stück deutscher.

Von Harald Freiberger, Andrea Rexer

Martin Blessing überraschte viele, als er im Herbst 2015 seinen Vertrag als Chef der Commerzbank nicht verlängerte. Es ist wohl keine Übertreibung, ihn als den Manager in Deutschland zu bezeichnen, der die meisten Stürme überstanden hat: die Fusion mit der maroden Dresdner Bank im Jahr 2008, die Quasi-Pleite in der Finanzkrise, die Staatshilfe über 18 Milliarden Euro, Kursstürze, Kapitalerhöhungen, Schimpftiraden auf Hauptversammlungen - alles hat Blessing überlebt, und in dem Moment, wo seine Bank aus dem Gröbsten heraus zu sein scheint, geht er.

Was kann so ein Mann noch tun im Leben? Er wolle jung genug sein, etwas Neues zu beginnen, antwortete der 52-Jährige stets mit einem Lächeln auf die Frage, wo er seine Zukunft sieht. Am Mittwoch fanden die Spekulationen nach mehr als einem halben Jahr ein Ende: Die Schweizer Bank UBS teilte mit, dass Blessing im September die Verantwortung für ihr Geschäft in der Schweiz übernimmt. Er wird auch Mitglied der Konzernleitung und bringt sich damit in Stellung als möglicher Nachfolge für Vorstandschef Sergio Ermotti.

Die Schweiz kennt Blessing noch von seinen Studienzeiten. Er absolvierte eine Management-Ausbildung in St. Gallen, danach arbeitete er für die Unternehmensberatung McKinsey, 1996 ging er zur Dresdner Bank, 2001 zur Commerzbank, wo er 2008 Chef wurde. Gerüchte, dass Blessing mit der UBS in Kontakt steht, gab es schon 2014. Damals soll ihn die Großbank angesprochen haben, ob er ihr Europachef mit Sitz in Frankfurt werden möchte. "Na, dann warten wir doch mal ab, wer von uns am Ende die besseren Informationen hat", sagte er vor einem Jahr in einem Interview im typisch saloppen Blessing-Ton auf die Frage. An den Gerüchten war was dran.

Der Wechsel kommt nicht von ungefähr: Blessing kennt Axel Weber, den Verwaltungsratschef der UBS, bestens. Als die Finanzkrise in Deutschland durchschlug, entwarf Weber als damaliger Bundesbankchef mit ihm die Grundzüge für die Bankenrettung. Die Commerzbank wiederum war eine der ersten Banken, die unter den Schutzschirm schlüpfen musste.

Damit wird die UBS noch ein Stück deutscher: Auch Risikovorstand Christian Bluhm ist Deutscher. Er leitete zuvor die Bad Bank der Hypo Real Estate. So viel Sanierungserfahrung sich damit auch im Vorstand bündelt, die UBS hat ihre schlimmste Phase bereits hinter sich. Nach Milliardenverlusten in der Finanzkrise hat sie sich schneller als andere wieder aufgerappelt. In der Aufarbeitung der Skandale, in denen die UBS mindestens so tief verstrickt war wie die Deutsche Bank, zeigte sie sich geschickt: So ging sie in der Affäre um manipulierte Zinssätze straffrei aus, weil sie der EU-Kommission als Kronzeugin diente.

Ermotti lobt Blessing als "Vollprofi mit starkem Leistungsausweis und viel Erfahrung in allen Bereichen des Geschäfts". Blessing stammt aus einer Banker-Familie: Sein Großvater war Bundesbank-Vorstand, sein Vater Vorstand der Deutschen Bank, seine Frau ist Top-Managerin bei der Investmentbank JP Morgan.

Auf seiner letzten Commerzbank-Hauptversammlung vor drei Wochen sagte Blessing, dass seine Amtszeit "zum großen Teil aus Ausnahmejahren mit sehr harten finanziellen und strategischen Maßnahmen bestand". In kleinerem Kreis zieht er schon mal Parallelen zu seinem liebsten Skigebiet im österreichischen Kitzbühel. Wenn man in die "Streif", den legendären Steilhang, einfahre, passiere es, dass man die Luft anhalte, weil es so steil ist. Im Ziel aber sei man doch ein wenig stolz, dass man die Abfahrt bewältigt hat. Mit seinem neuen Posten bei der UBS geht es für Blessing nun wieder den Berg hinauf.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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