Nafta:Ungetüm aus Amerika

US-Präsident Donald Trump ersetzt nach langem Streit den Freihandelsvertrag Nafta mit Kanada und Mexiko durch "USMCA". Was das für die drei Länder bedeutet.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Fast anderthalb Jahre dauerte das Drohen und Zetern, das Werben und Locken, am Ende steht nun ein Wortungetüm, an das sich die internationale Wirtschaftswelt erst einmal wird gewöhnen müssen: USMCA. Die Buchstabenreihe ist die Kurzform jener USA-Mexiko-Kanada-Vereinbarung, auf die sich Unterhändler aus Washington, Ottawa und Mexiko-Stadt in der Nacht zu Montag geeinigt haben. Sie soll den Vertrag über die nordamerikanischen Freihandelszone Nafta von 1994 ersetzen. Das Nachfolgeabkommen, das noch von den Parlamenten der drei Staaten gebilligt werden muss, bringt Neuerungen vor allem für die Landwirtschaft sowie die Auto-, die Tech- und die Finanzindustrie mit sich. Die am weitesten gehende Änderung ist allerdings tatsächlich der neue Name, auf den US-Präsident Donald Trump gepocht hatte.

Mit der Reform und der Tilgung des Begriffs Nafta setzt Trump eines seiner wichtigsten Wahlversprechen um. Er hatte den bisherigen Vertrag immer wieder als "den schlechtesten, den die USA je unterschrieben haben" bezeichnet und für den Verlust Hunderttausender US-Arbeitsplätze verantwortlich gemacht. Viele Experten halten die Kritik für unbegründet und vertreten die Ansicht, die Gründung der Freihandelszone habe die Zahl der Stellen in den USA unterm Strich sogar deutlich erhöht. Zwar begannen insbesondere die US-Autokonzerne GM, Ford und Chrysler in den 90er-Jahren tatsächlich damit, Pkw in Kanada und vor allem im Billiglohnland Mexiko zu bauen. Die Kostensenkungen trugen jedoch maßgeblich zur Gesundung der einst am Boden liegenden Branche bei und ermöglichten es den Firmen, auch in den USA neue Jobs zu schaffen.

Mit dem jetzt überarbeiteten Abkommen sollen Autohersteller dazu gedrängt werden, noch mehr Pkw in Nordamerika und insbesondere in den USA zu bauen. Um zollfrei in einem der drei Länder verkauft werden zu können, müssen Autos künftig zu 75 Prozent auf dem nordamerikanischen Kontinent gefertigt sein und zu 70 Prozent aus heimischem Stahl und Aluminium bestehen. 40 Prozent des Werts eines Wagens muss zudem von Arbeitnehmern geschaffen werden, die mindestens 16 Dollar pro Stunde verdienen. Damit will es Trump US-Firmen erschweren, Jobs nach Mexiko zu verlagern. In den Vereinigten Staaten verdient ein Arbeiter in der Autoindustrie gut 22 Dollar pro Stunde, in Mexiko dagegen nur 3,50 Dollar. Im Gegenzug müssen Kanada und Mexiko nicht mehr befürchten, von künftigen US-Autozöllen getroffen zu werden, deren Verhängung Trump angedroht hatte - unter anderem auch deutschen Herstellern.

Das USMCA soll darüber hinaus US-Farmern einen besseren Zugang zum kanadischen Milchmarkt verschaffen, von dem sie nach eigenem Bekunden bisher faktisch ausgeschlossen sind. Dazu ändert Kanada sein strenges Quotensystem. Umgekehrt setzte die Regierung in Ottawa durch, dass kanadische Firmen aus einer ganzen Reihe von Branchen weiterhin ein unabhängiges Schiedsgericht anrufen können, wenn sie sich in einem der Partnerländer Dumpingvorwürfen ausgesetzt sehen. Damit will Ottawa vor allem die eigene Holzindustrie schützen, über die US-Konkurrenten immer wieder klagen. Unterhändler der künftigen mexikanischen Regierung erreichten, dass das Land die Kontrolle über die eigenen Öl-Vorkommen behält. Kritiker hatten befürchtet, dass US-Konzerne die Liberalisierungspolitik der scheidenden Regierung nutzen könnten, um sich besonders lukrative Ölfelder unter den Nagel zu reißen.

Die drei Präsidenten finden das Abkommen gut - Kanadas Milchviehalter protestieren

Trump bezeichnete das überarbeitete Handelsabkommen als "wunderbare" und "historische" Vereinbarung, die "die vielen Mängel und Fehler von Nafta beseitigt, Märkte für unsere Landwirte und Industrieunternehmen in großem Stil öffnet, Handelsbarrieren für die USA beseitigt und alle drei beteiligten großen Nationen im Wettbewerb mit dem Rest der Welt eint". "Glückwunsch an Mexiko und Kanada", schrieb der Präsident im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Während die Reaktionen aus der Wirtschaft zunächst zurückhaltend ausfielen, zollten Globalisierungskritiker wie die eher linksgerichtete Verbraucherschutzorgansisation Public Citizen Trump Lob. Das ist im laufenden Kongresswahlkampf für die oppositionellen Demokraten durchaus ein Alarmsignal.

Kanadas Premier Justin Trudeau und Mexikos Außenminister Luis Videgaray sprachen von einem guten Tag für ihre Länder - eine Sicht, die die Vereinigung der kanadischen Milchviehhalter umgehend zurückwies. "Wir können nicht erkennen, was an dieser Vereinbarung gut für die 220 000 kanadischen Familien sein soll, deren Lebensgrundlage Molkereiprodukte sind", erklärte der Verband.

Die deutsche Wirtschaft hofft nun auf ein Abkommen auch zwischen der EU und den USA, befürchtet allerdings zugleich eine stärkere Abschottung Nordamerikas. Die Börsen reagierten erleichtert. Sie hatten befürchtet, dass der Streit in schwächere bilaterale Verträge münden und globale Lieferketten beeinträchtigen könnte.

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