Nachruf:Serge Dassault: Ein Mann der offenen Worte

Serge Dassault gestorben; WIR

Serge Dassault habe "ein Prunkstück der Industrie entwickelt", sagt Präsident Macron.

(Foto: Etienne Laurent/dpa)

Er war der Meinung, die 35-Stunden-Woche sei das "Krebsgeschwür der Wirtschaft" und die Homo-Ehe eine "Riesengefahr": Nun ist Serge Dassault im Alter von 93 Jahren verstorben.

Von Leo Klimm

Die 35-Stunden-Woche sei das "Krebsgeschwür der französischen Wirtschaft", die Homo-Ehe sei eine "Riesengefahr für den Bestand der Nation". Serge Dassault gehörte zu der Sorte Unternehmer, die offen ihre Meinung sagen. Gnadenlos offen.

Dassault, Herrscher über den letzten wichtigen Flugzeugbauer in Familienbesitz und über ein Vermögen von etwa 20 Milliarden Euro, war kein Schattenmann. Wohl aber war er ein Mann mit Schattenseiten. "Wenn man Material verkauft, dann dafür, dass es die Kunden benutzen", verteidigte der Rüstungsindustrielle einst Waffenlieferungen an den libyschen Diktator Gaddafi. Gnadenlos offen.

Am Montag ist dieser Mann, der Frankreich spaltete, im Alter von 93 Jahren verstorben. An Herzversagen, in seinem Büro an den Pariser Champs-Élysées, das der Patriarch wie an jedem Tag aufgesucht hatte.

Mit Dassault stirbt nicht nur ein umstrittener Unternehmer. Es stirbt ein Teil des französischen Kapitalismus alter Prägung, in dem sich industrielle, politische und Medienmacht ganz selbstverständlich vermengten.

Der gelernte Ingenieur war 61 Jahre alt, als er Firmengründer Marcel Dassault beerbte. Der jüdischstämmige Vater, ein Überlebender des KZ Buchenwald, hatte mit den Kampfjets Mirage und Rafale Frankreichs Luftwaffe ausgerüstet und das Unternehmen so zum industriellen Kernbestand des Landes gemacht. Dem Sohn, der ein schwieriges Verhältnis zum Vater hatte, kam die Aufgabe zu, das Erbe zu mehren und zu diversifizieren.

Es gelang ihm bestens. Unter Serge Dassault entwickelten sich die Exporte. Er baute auch das nicht militärische Geschäft aus. Die Enthüllungen der Paradise Papers im vergangenen Herbst offenbarten nicht zuletzt, wie geschickt das Unternehmen Steuertricks für den Verkauf von Businessjets nutzt. Mit einem hoch profitablen Anbieter von Spezialsoftware schuf Dassault ein weiteres Standbein. Und mit dem Figaro sicherte er sich noch mehr Einfluss: Dassault kaufte Frankreichs größte überregionale Zeitung 2004 ausdrücklich mit dem Ziel, seine politischen Ansichten zu verbreiten. Seine eigenen Politskandale kamen darin hingegen nur als Randnotiz vor.

Denn Dassault, der es im Alter für die Konservativen noch zum Senator brachte, wurde 2017 verurteilt. Er hatte in Luxemburg und Liechtenstein Millionen versteckt. Der Verdacht, das Geld habe ihm für Stimmenkäufe gedient, konnte nicht mehr zu seinen Lebzeiten belegt werden. Nun, da er verstorben ist, betonen auch frühere Kritiker lieber das Positive: "Frankreich verliert einen Mann, der sein Leben damit zugebracht hat, ein Prunkstück der Industrie zu entwickeln", sagt Staatschef Emmanuel Macron.

Seine Nachfolge hat Dassault leidlich geregelt. Keines seiner vier Kinder hielt er für würdig, die Familienholding zu steuern. Das macht nun ein alter Weggefährte Dassaults. Aber der ist auch schon achtzig.

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