Nachhaltigkeit:Beweisen, was geht

Nachhaltigkeit: Wolfgang Gründinger vom Start-up Enpal will mehr Solaranlagen auf private Dächer bringen.

Wolfgang Gründinger vom Start-up Enpal will mehr Solaranlagen auf private Dächer bringen.

(Foto: Alessandra Schellnegger/Alessandra Schellnegger)

Plastik reduzieren, Solaranlagen bauen, Recycling-Vorbild sein: Drei Start-ups wollen auf dem SZ-Nachhaltigkeitsgipfel zeigen, dass praktischer Klimaschutz funktioniert. An deutscher Bürokratie und trägen Verbrauchern kommen sie nicht vorbei.

Von Helena Ott

Plastik reduzieren beim Putzen

Im Kühl- und Vorratsschrank lässt sich Plastik immer mehr vermeiden, aber wer zu Hause den Putzschrank öffnet, der findet davon eine Menge: Badreiniger, Spülmittel, WC-Reiniger, Glasreiniger - alles in großen Kunststoffflaschen abgefüllt. Der Inhalt ist vor allem Wasser. "Aber wozu soll man all das Wasser in Plastikflaschen quer durch Deutschland fahren, wenn jeder Leitungswasser zu Hause hat?", fragt David Löwe beim SZ-Nachhaltigkeitsgipfel. Weil ihm auf diese Frage schon damals niemand eine Antwort geben konnte, hat er vor drei Jahren gemeinsam mit zwei anderen Münchnern "Everdrop" gegründet. Das Start-up vertreibt Putzmittel in Form von Brausetabletten. Zu Hause können Nutzerinnen und Nutzer die Tabs im Wasser auflösen und in wiederverwendbaren Glasflaschen deponieren.

Nachhaltigkeit: Im Unternehmen von David Löwe wird WC-Reiniger in Pulver-Tabs gepresst.

Im Unternehmen von David Löwe wird WC-Reiniger in Pulver-Tabs gepresst.

(Foto: Alessandra Schellnegger/SZ)

Den Wunsch, Plastik zu vermeiden, gab es schon in den 1990er-Jahren. Dennoch ist die Menge an Verpackungsmüll laut Umweltbundesamt in den vergangen zwanzig Jahren fast durchgängig gestiegen, auf mittlerweile fast 20 Millionen Tonnen im Jahr. Die Idee, Putzmittel, statt in großen Kunststoffflaschen in Tabs zu pressen, sei dagegen gar nicht neu. Solche Tabs habe es längst gegeben, gibt der junge Gründer zu. "Aber neben den bunten Flaschen im Supermarktregal hat sich keiner dafür interessiert." Doch inzwischen verändert sich das Kaufverhalten zu seinen Gunsten und immer mehr Investoren sind bei Everdrop eingestiegen. Bis Juni konnte die Marke für nachhaltige Putzmittel und Körperpflegeprodukte 18 Millionen Kapital einsammeln.

Der ewige Stoff

Was früher oft über Generationen weitervererbt wurde, ist heute zum Wegwerfprodukt geworden: Kleidung. Das will das Start-up "Pyua", gesprochen wie englisch "pure", ändern und stellt Jacken, Pullover und Hosen aus recycelten Kunststoffen und Merinowolle her. Bei der Outdoor-Kleidung geht es den Gründern nicht nur darum, keine neue Ressourcen zu verbrauchen. Sie wollen auch möglichst langlebige Produkte herstellen. Wird die Kleidung irgendwann doch weggeworfen, soll sie komplett recyclebar sein. Wenn dabei tatsächlich keine Abfälle mehr anfallen, nennt man das Kreislaufwirtschaft. "Wir wollen Vorbild sein, dass es möglich ist, und geben unser Know-how auch gerne weiter", sagt Arianna Fritz, die bei Pyua für das Design zuständig ist.

Nachhaltigkeit: Arianna Fritz kümmert sich um das Design beim Outdoor-Label Pyua, sie will den ökologischen Fußabdruck der Produkte auf ein Minimum reduzieren.

Arianna Fritz kümmert sich um das Design beim Outdoor-Label Pyua, sie will den ökologischen Fußabdruck der Produkte auf ein Minimum reduzieren.

(Foto: Alessandra Schellnegger/SZ)

Aber einfach ist es speziell bei Funktionskleidung nicht. Denn das Material von Regenjacken muss vielen Bedürfnissen gleichzeitig gerecht werden. Es muss regendicht sein, dazu atmungsaktiv und natürlich wärmend. Um Mikroplastik zu vermeiden, sollte es wiederum kein Fleece enthalten, was lange Zeit bei mehrlagigen wärmeren Jacken verbreitet war, sagt die Design-Spezialistin. Pyua setze bei den einzelnen Materialschichten deshalb auf sogenannte "Mono-Kunststoffe". Nach dem Ende der Lebensdauer als Jacke können die einzelnen Materialien recycelt beispielsweise zu einem Schlafsack werden. Aber dem Start-up geht es nicht nur um nachhaltigere Stoffe, sondern auch um Reduktion. Braucht man fürs Radfahren, Wandern, Skifahren jeweils drei verschiedene Jacken? Oder reicht vielleicht auch ein Modell, das man mit Lagen und Reißverschlüssen anpassen kann, fragt Arianna Fritz, die bei Pyua solche Jacken designt.

Ab auf die Dächer

Wer Solarpaneele auf dem eigenen Dach besitzt, ist zwar meistens stolz auf die eigene Energie, aber wenn man die Besitzer nach der Vorgeschichte fragt, kommen häufig gepeinigte Nerven zum Vorschein. Die deutsche Bürokratie und die unterschiedlichen Anforderungen der Netzbetreiber machen es Privatpersonen bis dato schwer, ihren eigenen Strom zu produzieren. Die Idee von "Enpal" ist es, Solarenergie einfacher zugänglich zu machen. Das Unternehmen montiert Solarmodule zur Miete, um Kunden die teure Kaufentscheidung zu ersparen. "Eine Solaranlage ist nach einem Haus und Auto oft die teuerste Anschaffung in einem Haushalt", sagt der Klimaaktivist und mehrfache Buchautor Wolfgang Gründinger, der mit buntem Käppi auf dem Podium beim SZ-Nachhaltigkeitsgipfel sitzt. Bei Enpal sei er 2019 als "eine Art Außenminister" eingestiegen.

Dort arbeiten Solarrechtsexperten, Installateure und Berater. Im Service inbegriffen seien alle Behördenanträge, eine Versicherung, die Montage und der Vertrag mit dem jeweiligen Netzbetreiber, sagt Gründinger. Mit seinem Job bei Enpal will er dazu beitragen, dass sich die positive Einstellung gegenüber Sonnenenergie auch in politisches Handeln und private Entscheidungen umwandelt. "Viele Menschen haben richtig Bock, dass sie zu Hause selbst saubere Energie herstellen können", sagt Gründinger. Aber es werde ihnen mit Notarbesuchen, Grundbucheinträgen und zig Formularen unnötig schwer gemacht.

Seit Putins Krieg in der Ukraine sei allerdings klar, dass Deutschland dringend unabhängig von russischem Gas werden muss. Ökologisch sauber, ginge das nur mit erneuerbaren Energien, ist sich der Klimaaktivist sicher. Mit der vielfachen Installation von Solarpaneelen quer über das Bundesgebiet verteilt, wolle Enpal auch beweisen, dass es schneller gehen kann. Der CO₂-Ausstoß in Deutschland müsse von jährlich vier Gigatonnen auf null herunter. "Wenn wir jetzt die Flaschenhälse lösen, dann schaffen wir das auch", sagt Gründinger.

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