Süddeutsche Zeitung

Nachhaltigkeit:Die Möbelindustrie will grüner werden

Viele Sofas landen nach kurzer Zeit auf dem Müll. Das ist teuer und nicht nachhaltig. Jetzt will die Branche das ändern.

Von David Wünschel, München

In der Möbelbranche grünt es. Zumindest laut den Werbesprüchen der Einzelhändler, die immer stärker auf langlebige Produkte und ein umweltfreundliches Image setzen. "Nachhaltiger leben: Können wir euch bequem einrichten", heißt es etwa bei der in Süddeutschland verbreiteten Möbelhauskette Segmüller. Der Discounter Poco Domäne verkauft zwar Wandgarderoben aus Bambus für 14,99 Euro, gibt in einem Nachhaltigkeitsleitfaden aber immerhin den Tipp, heimische Holzarten seien für eine umweltfreundliche Einrichtung eine "hervorragende Wahl". Und Ikea hat sich vorgenommen, spätestens 2030 mehr Emissionen einzusparen als auszustoßen und nur noch erneuerbare und recycelte Materialien zu verwenden.

Solche Anstrengungen seien bitter nötig, sagt Viola Wohlgemuth, die bei Greenpeace als Expertin für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz arbeitet. Ikea bezeichnet sie als "H&M der Möbelbranche", und auch insgesamt sei die Sparte "meilenweit davon entfernt, nachhaltig zu sein": wegen chemischer Inhaltsstoffe und des oft umweltschädlichen Holzabbaus, wegen der weiten Transportwege aus Asien, aber auch wegen des Kaufverhaltens. Früher habe man sich Holzmöbel fürs Leben zugelegt, so Wohlgemuth. Heute gebe es viele minderwertige Produkte, die schnell abgenutzt sind und dann im Müll landen.

Um beim Einkauf solche wenig nachhaltigen Möbel zu vermeiden, gibt es Orientierungshilfen. Der Verband der Deutschen Möbelindustrie verweist auf von der Branche selbst vergebene Siegel wie das "Goldene M" oder das Gütezeichen "Klimaneutrale Möbel", die wahlweise besonders hochwertige, sichere oder umweltfreundliche Produkte kennzeichnen. Viele Händler werben auch mit dem FSC-Siegel für Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft.

Manche Umweltverbände kritisieren jedoch, dass in der Vergangenheit auch Holz aus geschützten Urwäldern zertifiziert worden sei. Greenpeace lehnt das FSC-Siegel daher mittlerweile ab. Und es gibt weiterhin kein Gütezeichen, das sich mit den ganzheitlichen Auswirkungen eines Möbelstücks auf Klima und Umwelt beschäftigt.

Wohlgemuth rät deshalb dazu, sich vor dem Kauf selbst schlauzumachen: Wie nachhaltig sind die Materialien? Woher kommen sie? Und lassen sie sich reparieren oder recyclen?

Momentan sind solche Überlegungen besonders wichtig - denn wer in den kommenden Monaten Betten oder Schränke kaufen will, könnte vor leeren Regale stehen. Vor zwei Wochen hat das Münchner Ifo-Institut eine Umfrage veröffentlicht, der zufolge 88 Prozent der Möbel-Einzelhändler in den kommenden Monaten mit Lieferschwierigkeiten rechnen. Vor dem Hamburger Hafen stauen sich die Containerschiffe, und belarussisches und sibirisches Holz gelangt nicht mehr nach Deutschland. Probleme gibt es aktuell beispielsweise bei Lattenrosten und Sofagestellen. Sollte Russland den Gashahn komplett zudrehen, könne es auch bei weiteren Produkten aus Holz, Metall und Glas zu spürbaren Engpässen kommen, warnt der Verband der Deutschen Möbelindustrie.

Wer eine besonders umweltfreundliche Einrichtung will, könnte deshalb gerade jetzt über die Option Secondhand nachdenken. Denn das nachhaltigste Möbelstück ist immer noch jenes, das nicht neu hergestellt werden muss.

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