Konsum:Nachhaltig einkaufen ist hart, macht aber glücklich

Konsum: Auf die eine politische Maßnahme, die die Wende zum Besseren bringt, sollte der ökologisch bewegte Konsument nicht warten.

Auf die eine politische Maßnahme, die die Wende zum Besseren bringt, sollte der ökologisch bewegte Konsument nicht warten.

(Foto: Brooke Cagle/Unsplash)

Wer ethisch konsumieren will, muss seinen Bio-Öko-Ethik-Kompass im Kopf ständig neu kalibrieren. Das nervt, ist aber der Preis der Freiheit.

Kommentar von Michael Kläsgen

Einkaufen war auch schon mal leichter. Wer der Randsportart des ökologisch korrekten Einkaufs verfallen ist, darf ruhig verzweifeln. Er steht in der Gemüseabteilung und fragt sich, wie bio diese Tomaten aus Spanien eigentlich sein können, die auf einer Pappschachtel liegen und von einer Plastikfolie umhüllt sind. Oder wie viel das Gütesiegel wirklich wert ist, mit dem der Fisch versehen ist. Er ist auch verblüfft, dass Lidl-Billigwasser in der Plastik-Einwegflasche nicht schlimmer für die Umwelt ist als das Adelholzener Alpenquellwasser der Ordensschwestern in der formschönen Mehrweg-Relief-Flasche. Aber was hilft's?

Wer glaubt, mit seinem Konsum ein wenig die Welt verbessern zu können - worauf man nicht allzu große Hoffnungen setzen sollte -, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich durch den Dschungel der Angebote zu schlagen und das Beste für sich persönlich herauszufiltern. Ohne erhobenen Zeigefinger und wissend, dass die große Mehrheit anders tickt und wenig Lust verspürt, vor jedem Griff ins Regal erst noch komplexe Lieferketten zu dechiffrieren.

Wenn Firmen ihr Wasser oder Bier in eigens designten Flaschen verkaufen, dann tun sie das ja gerade, weil die meisten Kunden das so wollen. Viele Konsumenten denken nicht groß darüber nach, in welcher Flasche das Getränk abgefüllt ist. Sie finden es okay oder hipp oder beides. Natürlich werden sie in dem Moment Opfer eines Marketingtricks. Aufklären lässt sich vielleicht, wer dazu bereit ist. Aber einwenden kann man dagegen kaum was. Natürlich darf Einkaufen auch Spaß machen und nicht zur permanenten Gewissenplage werden. So sehen das die meisten und sie haben recht. Zum Glück leben wir in einer freien Welt, in der jeder in bestimmten Grenzen herstellen und konsumieren kann, was er will.

In dieser Welt kann man Firmen nicht dazu zwingen, Einheitsflaschen zu benutzen, auch wenn das ökologisch wünschenswert wäre. Ebenso wenig können Kunden dazu verpflichtet werden, nur ein bestimmtes Produkt zu kaufen. Die Politik kann Anreize schaffen und Kaufströme zu lenken versuchen, indem sie umwelt- oder gesundheitsschädliche Artikel über Steuern verteuert. Bei Alkopops und Zigaretten gelang das ganz gut. Beides wird weniger nachgefragt. Aber es gibt keine Garantie, dass das jedes Mal aufs Neue klappt.

Auf die Politik zu warten, bringt nichts. Fangen wir selber an

Bei den beiden genannten Produkten funktionierte es auch deshalb, weil beide gesellschaftlich weithin geächtet waren. Bierflaschen mit langen Hälsen und Wasserflaschen mit hübschem Relief sind hingegen ziemlich beliebt. Der Politik fehlt hier der Hebel, an der richtigen Stelle anzusetzen. Und bei Plastik ist die Sache noch diffiziler. "Böses" Wegwerf-Plastik wird demnächst europaweit ohnehin verboten sein. Ein Schritt, der längst überfällig war. Von dem "guten" recycelbarem Kunststoffrezyklat hingegen gibt es eigentlich viel zu wenig. Firmen hätten gern mehr davon, damit sie einen geschlossenen Kreislauf aufbauen könnten. Umweltpolitisch wäre das fürs ganze Land das sinnvollste. Deswegen müsste die Politik genau hier ansetzen, aber das wäre schrecklich unpopulär. Sofort hieße es: Was, die Regierung will mehr Plastik?

Auf die eine politische Maßnahme, die die Wende zum Besseren bringt, sollte der ökologisch bewegte Konsument daher nicht warten. Sondern sich am besten seinen persönlichen Bio-Öko-Ethik-Kompass im Kopf zurechtlegen und dementsprechend einkaufen. Diesen Kompass muss er leider ständig neu kalibrieren, siehe Billigwasser oben. Das ist nervend, aber der Preis der Freiheit. Klar ist auch: Nur wenn viele es tun, kapieren das die Firmen und ändern was. Ja, es wird hart und langwierig. Fangen wir also am besten heute noch damit an.

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