Grüne Geldanlage:Frisches Geld für Arabesque

Lesezeit: 3 min

In der Banken-Stadt Frankfurt wollen viele profitieren vom Trend zum "nachhaltigen Wirtschaften". (Foto: Boris Roessler/dpa)

Das auf grüne Geldanlage und Daten spezialisierte Fintech wirft allerhand Fragen auf. Dennoch kann die Firma nun wohl neue Investoren aus den USA begeistern.

Von Meike Schreiber , Frankfurt

Der Finanzplatz Frankfurt wartet nicht gerade täglich mit jungen hoffnungsvollen Unternehmen auf. Wenn doch einmal etwas vermeintlich Vielversprechendes entsteht, wollen alle mit dabei sein. "Fomo", heißt dieses Phänomen in der Internetsprache, fear of missing out, die Angst, etwas zu verpassen. 2019 brachte dieses Phänomen das Who is Who der deutschen Finanzindustrie zusammen: Mehrere Konzerne investierten in eine junge Frankfurter Firma namens Arabesque, die nach ihrer Gründung 2013 zuerst das Geschäft mit "grüner" Geldanlage, dann auch mit Nachhaltigkeitsdaten und künstlicher Intelligenz revolutionieren wollte.

Denn Nachhaltigkeit ist das große Mode-Thema in der Wirtschaft: Investoren wollen ihr Geld umweltfreundlich anlegen, Banken das Klima schützen und Fondsgesellschaften den Kampf gegen Ausbeutung und Umweltzerstörung unterstützen. Die Abkürzung für den Trend lautet ESG - das steht für Umweltaspekte (Environment), soziale Kriterien (Social) und die Regeln guter Unternehmensführung (Governance). Allerdings ist es mühsam, aus diesen abstrakten Begriffen ein Geschäftsmodell zu entwickeln, jedenfalls wartet Arabesque noch auf den Durchbruch. Immerhin scheint das Start-up nun neues Geld aufgetrieben zu haben.

Bereits jetzt steckt viel Kapital prominenter Geldgeber in der Firma: Das hessische Wirtschaftsministerium investierte zwei Millionen Euro Steuergeld in S-Ray, die Datensparte von Arabesque. 18 weitere Millionen kamen von der Allianz, der Deutsche-Bank-Tochter DWS, der Commerzbank und der Landesbank Hessen-Thüringen, kurz Helaba, sowie der Beratung Accenture. Dieses Geld sicherte zu Beginn das Überleben, und das prominente Konsortium wirkte wie ein Gütesiegel. Für ihren Beirat heuerte die Firma prominente Vertreter wie den früheren Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen an, zeitweise auch Ex-Vizekanzler Philipp Rösler. Die DWS legte Ende 2019 sogar noch nach und gab weitere acht Millionen Euro für eine Arabesque-Tochter, die nachhaltige Kriterien bei der Geldanlage mit künstlicher Intelligenz verknüpft. Die Technologie habe das Potenzial, "Nachhaltigkeit über die globalen Märkte hinweg zum Durchbruch zu verhelfen", erklärte die DWS.

Doch noch ist das nicht passiert, sind die Umsätze nicht schnell genug gewachsen. Jedenfalls sind die Gründer um Omar Selim, den früheren Deutschland-Chef der britischen Investmentbank Barclays, dabei, frisches Geld zu beschaffen. Nach SZ-Informationen soll ein Konsortium um den Risikokapital-Fonds Energy Impact Partners mit Sitz in New York, London und Köln und dem Spezialgebiet Nachhaltigkeit, bereit sein, 40 bis 50 Millionen US-Dollar in die Datensparte Arabesque S-Ray zu investieren. Dem Vernehmen nach wollen die Investoren wohl 20 bis 24,99 Prozent erwerben, womit S-Ray bis zu 250 Millionen Dollar wert wäre. Entsprechende Eckdatenpapiere seien bereits erstellt, sagten zwei Insider der Süddeutschen Zeitung. Arabesque und Energy Impact Partners ließen mehrere Anfragen dazu unbeantwortet.

"Weder ESG noch transparent"

Hinweise auf knappe Kassen gibt es schon länger, und intern scheint der Unmut zu wachsen. Auf einem Portal zur Bewertung von Arbeitgebern kritisierte vor wenigen Wochen ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter, die Firma habe kürzlich den Lohnauszahlungstag auf den letzten Tag des Monats verschoben, wobei es sich nach SZ-Informationen um eine Verschiebung um fünf Tage handelt. Das sei weder transparent noch "ESG", kritisiert der Mitarbeiter, der neben vielen anderen Dingen außerdem einen Mangel an Inklusion und Diversität monierte. Diese Maßnahme kann dazu dienen, sich ein wenig Luft zu verschaffen bei finanziellen Verpflichtungen. Die Firma will sich auch dazu nicht äußern. Der Beitrag ist inzwischen wieder gelöscht worden.

Tatsächlich konnte Arabesque noch nicht vom Geschäft mit grünen Finanzanlagen profitieren, wenn man die zuletzt veröffentlichten Zahlen zugrunde legt: Demnach hat die Firma, die ihren Hauptsitz in London hat, 2020 wegen deutlich gestiegener Kosten die Verluste auf gut 11,4 Millionen Pfund fast verdoppelt. Die Umsätze aus Kundenverträgen stiegen lediglich um 38 Prozent auf 3,4 Millionen Pfund. Zuvor hatte Arabesque angekündigt, 2021 Gewinne auszuweisen.

Woran liegt das? Ist das Ziel erreicht? Dazu will das Unternehmen nichts sagen. Investor Helaba teilte jedoch mit, "ein Ausbau des Engagements" bei Arabesque sei "nicht vorgesehen". Die Commerzbank ließ durchblicken, sich von dem Anteil trennen zu wollen. Die DWS schrieb ihren Anteil an der Sparte für künstliche Intelligenz sogar ab, so steht es im kürzlich veröffentlichten Geschäftsbericht.

Die neuen Investoren setzen womöglich auf das neueste Projekt von Arabesque S-Ray: Auf einer Plattform mit Namen "ESG Book" sollen Unternehmen freiwillig Angaben zur Nachhaltigkeit hinterlegen und einem breiten Publikum zugänglich machen. Die Daten sollen "allen Stakeholdern kostenlos zur Verfügung" stehen und "unabhängig und unparteiisch" dargestellt werden. Arabesque konnte prominente Unterstützer dafür gewinnen: Hinter der Initiative scharen sich abermals etliche bekannte Finanzfirmen, darunter Allianz und Deutsche Bank sowie die britische Großbank HSBC, der Rückversicherer Swiss Re. Beim Modethema "ESG" wollen eben alle dabei sein.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: