Management:Nachhaltige Unternehmen sind auch diverser - und umgekehrt

Management: Firmen, die von einem bunt zusammengestellten Team geführt werden, sind zumeist wirtschaftlich erfolgreicher.

Firmen, die von einem bunt zusammengestellten Team geführt werden, sind zumeist wirtschaftlich erfolgreicher.

(Foto: Fares Al Husseni/PantherMedia)

Firmen, die Geschlechtergerechtigkeit in Vorstand und Aufsichtsrat fördern, arbeiten häufig auch sozialer, ökologischer und nachhaltiger. Oft sind es die großen Konzerne.

Von Kathrin Werner

Wenn Menschen über Statistiken streiten, geht es oft um ein Thema: Kausalität oder Korrelation? Also die Frage, ob der eine Faktor zum anderen geführt hat oder die beiden eher zufällig immer wieder zusammen auftreten. Nicole Voigt kennt sich mit der Frage aus. Sie ist Ingenieurin, Zahlenmensch, Partnerin bei der Unternehmensberatung Boston Consulting und dort zuständig für den Gender Diversity Index.

Dieser Index bildet Jahr für Jahr ab, wie viele Frauen es in den Führungsetagen der großen Unternehmen gibt und welche Konsequenzen das hat. In ihrer aktuellen Studie über das Jahr 2021 hat Voigt herausgefunden, dass Unternehmen, die Geschlechtergerechtigkeit in Vorstand und Aufsichtsrat fördern, häufig auch sozialer, ökologischer und nachhaltiger arbeiten. Besonders gut schneiden große börsennotierte Unternehmen ab. Prominente Beispiele sind die Allianz, Siemens und die Deutsche Telekom. "Große Konzerne mit hoher Marktkapitalisierung sind sowohl in Sachen Geschlechterdiversität als auch sozial-ökologisch Vorreiter und treiben den Wandel in Deutschland", sagt Voigt.

Die Studie, die BCG gemeinsam mit der TU München angefertigt hat, ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Frage, ob ein Unternehmen von den immer gleichen mittelalten Männern geführt wird oder von einem bunt zusammengestellten Team, keine moralische Frage ist. Es geht nicht um politische Korrektheit und Feminismus. Es geht um wirtschaftlichen Erfolg, genauer gesagt darum, ob die Unternehmen die sogenannten ESG-Kriterien erfüllen. ESG-Kriterien (ökologisch, sozial, gute Unternehmensführung) sind auch für die vielen Investoren wichtig, die nur solchen Unternehmen Geld geben, die auf Nachhaltigkeit achten. Und auf Diversität.

Auch für Investoren sind diverse Unternehmen attraktiver

Was Voigt nicht nachweisen kann, ist die Kausalität. Niemand könne statistisch belegen, ob mehr Frauen im Topmanagement dazu führen, dass Unternehmen zum Beispiel anfangen, mehr Wert auf eine umweltfreundlichere Produktion zu setzen. Oder ob es andersherum ist: Firmen, die ohnehin Wert auf die großen Themen der Zeit legen, könnten etwa auch dazu tendieren, ihr Führungsteam vielfältiger aufzustellen. "Auf jeden Fall hängt es zusammen", sagt Voigt. "Unternehmen, die sich dafür interessieren, wie die Gesellschaft sie sieht, investieren in Ökologie, Nachhaltigkeit und Diversität." Es sei wohl auch eine Art Selbstläufer, weil nachhaltige Firmen als Arbeitgeber attraktiver seien. "Unternehmen mit höheren ESG-Werten ziehen auch diversere Teams an. Diversität und wirtschaftlicher Erfolg gehören zusammen."

Auch für die Finanzindustrie sind diverse Unternehmen attraktiver. Die drei großen amerikanischen Finanzinvestoren Vanguard, Blackrock und State Street haben schon mehrfach öffentlich beteuert, dass sie es Betrieben, denen sie Geld geben, nicht mehr durchgehen lassen, wenn diese nur Männer in den wichtigsten Führungsjobs haben. Und auch auf die Umweltbilanz ihrer Portfolio-Firmen achten sie zunehmend. Der Einfluss des Kapitalmarktes werde größer, sagt TU-München-Professorin Isabell Welpe. Und der Kapitalmarkt lege zunehmend Wert auf das sogenannte Impact-Investing, also Investments in gesellschaftlich wertvolle Unternehmen. "Offenlegungspflichten zu Nachhaltigkeit und ESG werden Unternehmen immer mehr dazu verpflichten, Kennzahlen zu Diversität und Inklusion öffentlich zu machen."

Spitzenreiter im BCG Gender Diversity Index, der zum fünften Mal erscheint, sind die Deutsche Telekom, der Softwarekonzern SAP und der Schmierstoffhersteller Fuchs, was auch zeigt, dass Unternehmen aus traditionellen Männerbranchen durchaus Frauen ins Management holen können. Entscheidend für das Abschneiden im Diversitäts-Index der nach Marktkapitalisierung 100 größten deutschen Konzerne sind der Anteil der Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat sowie deren Vergütung im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Einer der größten Verlierer des Rankings ist Ceconomy. Der Elektronikhändler, zu dem die Ketten Mediamarkt und Saturn gehören, lag im vergangenen Jahr noch auf Platz vier und ist nun auf Platz 38 abgerutscht. Trotz solcher Rückschläge hat sich die Geschlechtergerechtigkeit in den 100 größten Unternehmen in den deutschen Aktienindizes Dax, M-Dax und S-Dax verbessert. Mit 13 Prozent Frauen in den Vorständen der Top-100-Unternehmen liegt die Quote 3,3 Prozentpunkte höher als im Jahr davor.

In der vergangenen Woche hat eine andere Studie einen Blick auf 19 europäische Länder geworfen. Von den 668 untersuchten Unternehmen werden nur 50 von einer weiblichen Vorstandsvorsitzenden geführt, sieben Prozent. Im Vorjahr waren es nur 42. Der niedrige Frauenanteil sei "schockierend", sagt Hedwige Nuyens, die Vorsitzende der Initiative European Women on Boards (EWOB), die die Studie in Auftrag gegeben hat. "Das muss sich ändern. Wir können es uns einfach nicht leisten, die Mehrheit unserer gut ausgebildeten Talente zu verschwenden. Als Gesellschaft und als Wirtschaftsraum hat Europa große Herausforderungen vor sich, die nur gemeinsam bewältigt werden können." Eine feste Quote und verbindliche Ziele hätten in Norwegen, Frankreich und Großbritannien Wirkung gezeigt. Diese Länder führen das EWOB-Ranking an. Deutschland, Österreich und Schweiz rangieren dagegen im unteren Drittel.

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