Nachhaltige Robo Advisors:Automatisch grüner

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Die Nachfrage nach grünen Produkten steigt. Immer mehr digitale Vermögens­verwalter wollen ihren Kunden nachhaltige Portfolios zur Geldanlage anbieten. Aber das ist gar nicht so einfach.

Von Marcel Grzanna

Anbieter automatisierter Geldanlage nehmen verstärkt das Thema Nachhaltigkeit ins Visier. Das Branchenportal Biallo zählte im Sommer ein Dutzend Robo Advisors, die auf die wachsende Nachfrage mit entsprechenden Anlagestrategien reagieren. Immer mehr betreten das Terrain des guten Gewissens. Auch Anbieter Growney gab dies kürzlich bekannt.

Nachhaltige Geldanlage verspricht, dass das Kapital der Anleger dorthin fließt, wo Gutes damit geschieht. Neben der Erzielung einer Rendite soll das Investment solche Empfänger unterstützen, deren unternehmerisches Handeln grüne, soziale und ethische Mindeststandards erfüllt. Robo Advisors übernehmen im Internet dabei die Rolle des Beraters. Über persönliche Angaben der Nutzer entwerfen sie Risikoprofile, und ihre Algorithmen spucken die passenden Portfolios aus, die aus börsengehandelten Fonds (Exchange Traded Funds, ETF) bestehen. Einem ETF liegt ein Index zugrunde, dessen Entwicklung der ETF abbildet. Das Volumen nachhaltiger Investmentfonds und Mandaten in Deutschland betrug im vergangenen Jahr 183,5 Milliarden Euro, 50 Milliarden mehr als noch 2018, ermittelte das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG).

"Es geht um die Frage: Was ist gut und was ist schlecht"

Dass sich Nachhaltigkeit womöglich nur als Trend entpuppt, der wieder abebben wird, befürchtet Thimm Blickensdorf von der Geschäftsleitung des Robo Advisors Growney nicht. "Wer glaubt, das Thema Nachhaltigkeit geht bald auch wieder vorbei, der irrt sich. Dass Deutschland hinter vielen anderen Ländern noch zurückliegt, ist bedauerlich und wird sich nach unserer Auffassung ändern", sagt Blickensdorf.

Laut einer Erhebung von PricewaterhouseCoopers (PwC) sehen vier von fünf Privatkunden in der Nachhaltigkeit einen gesellschaftlichen Wandel und keine Modeerscheinung. 51 Prozent der mehr als 4000 Befragten bekundeten Interesse, zukünftig nachhaltige Finanzprodukte erwerben zu wollen. Fast jeder Dritte hat schon von den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen gehört, laut UN "ein globaler Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten."

Doch der Teufel steckt im Detail. Denn Nachhaltigkeit ist ein komplexes Konstrukt aus unterschiedlichen Bereichen: Umwelt, Gemeinwohl, Management, Menschenrechte. Die vielschichtigen Aspekte in Einklang zu bringen und gleichzeitig noch Rendite zu erwirtschaften, ist die große Herausforderung. "Wenn Nachhaltigkeit auf einem Produkt draufsteht, dann sollte man auch erwarten, dass Nachhaltigkeit drin steckt. Bei der Kombination von Nachhaltigkeitskriterien wird es aber kompliziert. Es geht um die Frage: Was ist gut, und was ist schlecht", sagt Anlageexperte Marc Oliver Rieger von der Universität Trier.

Wenn einem Anleger die Gleichberechtigung von Frau und Mann wichtig ist, dieses Unternehmen aber mit Erdöl-Förderung Geld verdient, bewegt sich das Investment entlang einer Konfliktlinie, die sich mit der Idee der Nachhaltigkeit nur bedingt vereinbaren lässt. Rieger sieht für private Investoren deshalb zwei Möglichkeiten. Entweder sie setzen Prioritäten, welche Aspekte sie bevorzugt fördern wollen, um sich nicht mit weiteren Details zu befassen. Oder sie sammeln selbst Informationen über die Unternehmen, deren Werte in einem ETF abgebildet sind, um möglichst wenig Kompromisse eingehen zu müssen. "Ein sehr aufwendiger Vorgang", wie Rieger einräumt, der zudem den Sinn der Robo Advisor als Instrument der Vereinfachung der Geldanlage konterkariert.

Zumal nicht sicher ist, ob die Optimalvorstellung von Nachhaltigkeit überhaupt erfüllt werden kann. "Wir sehen aktuell nicht, dass es ETF gibt, die sich an der Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele für 2030 orientieren", sagt Blickensdorf von Growney. Dieses Dilemma bleibt zuerst an den Anbietern solcher Finanzprodukte hängen, die ihren Kunden Nachhaltigkeit zusagen und gleichzeitig transparent offenlegen wollen, welche Zugeständnisse des Investors nötig sind.

Was also tun? Ein Lösungsansatz bei Growney sind Nachhaltigkeits-ETF, die aus ESG- und SRI-Indizes bestehen. Der Robo kombiniert also Kriterien, die Umwelt- und Klimaschutz genauso umfassen wie Arbeitsbedingungen und Grundsätze der Unternehmensführung (Environmental Social Governance, ESG) mit dem Prinzip des ethischen oder werteorientierten Investierens (Socially Responsible Investment, SRI).

Auch beim Robo Advisor Oskar, der seinen Kunden ausschließlich Nachhaltigkeits-ETF anbieten möchte, geht man noch Kompromisse ein. Von zehn ETF sind fünf bislang komplett nach Nachhaltigkeitskriterien zusammengestellt. Schwierig wird es allerdings dann, wenn beispielsweise auch Staatsanleihen in den Fonds vertreten sind, deren Grad an Nachhaltigkeit noch nicht klassifiziert sind.

Gewichtige Aspekte könnten dort die Ratifizierung des globalen Klimaabkommens sein oder ob ein Staat die Todesstrafe verhängt. Doch die Komplexität ist noch zu groß, um Nachhaltigkeit tatsächlich bewerten zu können. Die Politik bemüht sich, diese Komplexität zu entflechten, hat dabei aber einen weiten Weg vor sich.

2021 soll in Europa die sogenannte Taxonomie in Kraft treten, die die Nachhaltigkeit einer Investition anhand der EU-Klimaziele bewertet. In den Folgejahren sollen weitere vier Umweltziele hinzukommen. Verknüpft werden soll das Ganze mit einer Offenlegungspflicht für Finanzverwalter. Einheitliche Referenzwerte für den CO₂-Ausstoß sind bereits in Kraft. Die Taxonomie soll dann nicht nur Aktien, sondern auch Staatsanleihen integrieren. Derweil hat die Bundesregierung den Sustainable-Finance-Beirat ins Leben gerufen, eine Kommission, die aus Vertretern des Finanzsektors, der Realwirtschaft, aber auch Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen besteht. 2022 will die Kommission ihren Abschlussbericht vorlegen.

"Wir haben mittlerweile alle ETF, bei denen es Sinn ergibt, auf nachhaltig umgestellt. Leider gibt es vor allem im Anleihen-Bereich kaum nachhaltige Alternativen, da entweder das Angebot fehlt oder die ETF-Gebühren zu hoch wären", sagt Oskar-Mitgründer Jens Ohr. Denn selbst um für Kunden attraktiv zu bleiben, die mit ihrem Investment bewusst auf Verbesserungen nach ESG-Standards zielen, muss der Robo auch Renditen generieren.

Investitionen in Schwellenländer stehen sinnbildlich für diesen Spagat. Gute Wachstumsperspektiven locken, aber zum Maß an nachhaltigem Wirtschaften in Industrieländern klafft dort noch eine Lücke. Oskar-Mitgründer Ohr glaubt, dass innerhalb des kommenden Jahres mehr Klarheit herrschen wird.

© SZ vom 10.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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