Süddeutsche Zeitung

Nachhaltige Messen:Ohne fettige Bratwurst

Der Greta-Thunberg-Effekt macht sich in der Messebranche bemerkbar. Immer mehr Veranstaltungen haben einen nachhaltigen Fokus. Nun versuchen die Messegesellschaften auch selbst umweltbewusster zu werden.

Von Rebecca Herber

Das Angebot an Messen mit Umweltthematik wächst. Da gibt es Messen für nachhaltigen Konsum, für nachhaltigere Verpackungen und Geldanlagen, für Slow Food und veganes Essen. "Nachhaltig" ist zu einem Werbewort geworden, einem Label, mit dem sich viele Messen schmücken möchten. Professor Stefan Luppold hält das nicht nur für einen Trend. "Es gibt einen Wandel der Generationen. Es rücken junge Leute in die Positionen nach, die mitbestimmen können und die ein höheres Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Ökologie haben. Das wird sich mit der Generation Greta fortsetzen", sagt der Studiengangsleiter für BWL-, Messe-, Kongress- und Eventmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Messeveranstalter und -aussteller müssten, um glaubwürdig zu sein, nach entsprechenden Konzepten suchen. "Man kann unmöglich nachhaltige Produkte vertreiben, wenn man seinen Auftritt nicht anpasst. Das ist den Kunden wichtig, da gibt es auch Nachfragen", sagt Luppold und meint: "Muss es immer noch die fettige Bratwurst sein, oder welche Alternativen gibt es?"

Der Experte erinnert sich an den Besuch seiner ersten Messe, als er etwa zehn Jahre alt war. Und er weiß noch, dass es nur Bratwurst gab. Alternativen, im Besonderen vegetarische und vegane - Fehlanzeige. Mehrere Jahrzehnte später hat sich eine große Essenskultur auf Messen entwickelt. Viele Veranstalter versuchten, das Catering an das Thema und die Atmosphäre anzupassen.

Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist erkennbar. Gegen den größten Teil der von Messen verursachten Emissionen können die Veranstalter aber wenig ausrichten. Laut Luppold entstehen rund 70 bis 80 Prozent dieser Emissionen durch die An- und Abreise der Besucher. Hier werden oft Anreize geschaffen, damit Besucher mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, entweder mit Kombiticket oder integriertem öffentlichen Nahverkehr.

Bei der Messe Köln berechtigt etwa die Eintrittskarte zur Fahrt mit dem ÖPNV. Dieses Angebot nutzen 23 Prozent der Besucher und 25 Prozent der Aussteller. Außerdem schafft die Messe sukzessive Einwegplastik im Catering ab. Gabelstapler, die beim Auf- und Abbau benötigt werden, werden durch gasbetriebene oder Hybrid-betriebene ausgetauscht. Nach Messeschluss wird überschüssiges Essen an den Tafel-Bundesverband gegeben. Logistiker sorgen für ein digitales Verkehrsmanagement, damit weniger Staus um das Messegelände herum entstehen und somit weniger Emissionen. "Messen sind ressourcenintensive Veranstaltungen", sagt Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Köln. "Das können wir nur ein Stück weit ändern, aber wir können viel dafür tun, die Auswirkungen in möglichst engen Grenzen zu halten."

Luppold nennt das Exhibition Centre in London (Excel) als vorbildlich. Hier wurden bei Veranstaltungen hochwertigere Teppiche gewählt, die später so zugeschnitten wurden, dass sie in die Wohnungen von bedürftigen Menschen gelegt werden konnten. Und während des Aufbaus wurde die Klimatisierung der Hallen gestoppt, damit nicht so viel Energie verschwendet wird, solange die Tore offen stehen. Langfristig reichten kleine Maßnahmen wie die Abschaffung von Plastik allein aber nicht aus, meint Luppold: "Man muss ein ganzheitliches Konzept entwickeln und auch inhaltlich darauf eingehen."

Sonst könnten die Maßnahmen auch schnell eine Art des Greenwashings sein. Der Begriff beschreibt Methoden, um Unternehmen nach außen hin als umweltfreundlich und verantwortungsbewusst zu präsentieren, ohne dass das auch nach innen umgesetzt wird. "Da gibt es Beauftragte, die eingesetzt werden, um einen Anschein des Handlungswillens zu vermitteln. Die haben aber kaum Budget. Etwas Großes durchzusetzen, ist ihnen oft einfach nicht möglich", meint Luppold.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2019
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