Spanische Namen beanspruchen in den Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank (EZB) viel Platz. So soll es auch bleiben nach dem Willen der Regierung in Madrid, die im Juni Antonio Sainz de Vicuna als Nachfolger seines Landsmanns José Manuel González-Páramo in das Direktorium der EZB entsenden will.
Mittlerweile sieht es aber so aus, als ob daraus nichts wird - und Mitteilungen an dieser Stelle bald mit halb so vielen Buchstaben auskommen werden: Der neue Favorit für den Job kommt aus Luxemburg und heißt Yves Mersch. Zieht er in das Top-Gremium ein, wäre das mehr als eine Platzersparnis, es wäre eine Richtungsentscheidung, die die deutsche Kritik an schrankenlosen EZB-Hilfen für den Euro sehr stärken würde.
Schon eine Weile ringen die Euro-Staaten um den einzigen freien Posten, der in dem Sechser-Gremium in den nächsten Jahren zu besetzen ist. Die Spanier schienen sich mit dem Anspruch, den Job wie andere große Euro-Länder automatisch nachbesetzen zu dürfen, schon beinahe durchgesetzt zu haben. Doch dann wendete sich das Blatt.
Nach der Bundesregierung favorisiert mittlerweile auch Frankreich den Luxemburger Mersch - und was Berlin und Paris gemeinsam wollen, das wird in der Euro-Zone meist gemacht. Zumal Mersch auf die Unterstützung kleinerer Länder wie Finnland, Österreich und der Niederlande zählen kann. Sie klagen über das Übergewicht der großen Euro-Staaten, die bisher fünf der sechs Direktoriumsposten belegten.
Luxemburg statt Spanien, das könnte auch die Politik der Zentralbank ändern. Bisher standen deutsche Vertreter in den EZB-Gremien mit ihrer Kritik an riskanten Euro-Hilfen wie dem Aufkauf griechischer oder italienischer Staatsanleihen im Umfang von mehr als 200 Milliarden Euro weitgehend alleine.
Ex-Bundesbankchef Axel Weber wollte deshalb nicht an die Spitze der EZB rücken, Chefvolkswirt Jürgen Stark trat zurück. Und Bundesbankchef Jens Weidmann forderte EZB-Chef Mario Draghi jüngst heraus, indem er einen Brandbrief verfasste. Darin klagte er, die Zentralbank verleihe zu leichtfertig Hunderte Milliarden Euro an Banken aus kriselnden Euro-Staaten, die dafür fragwürdige Sicherheiten hinterlegten. Ginge einer der Staaten pleite, blieben die Verluste bei der EZB hängen.
Mersch könnte Weidmann da künftig beispringen. Der 62-Jährige hat sich als Kritiker riskanter Hilfen profiliert, mit denen die Zentralbank seit Mai 2010 den Euro zu stabilisieren versucht. Die Käufe griechischer oder italienischer Staatsanleihen "haben langfristig keine Zukunft", sagte der luxemburgische Notenbankchef jüngst der SZ. "Meine grundsätzlich kritische Position ist bekannt." Auf den Abgang von Weber und Stark angesprochen, die wegen der Ankäufe zurücktraten, erklärte Mersch sogar: "Das ist keine rein deutsche Position, sondern eine stabilitätsorientierte Position, die von anderen mitunter geteilt wird."
Schwer vorstellbar, dass solche Sätze von einem EZB-Direktor aus Spanien kämen, das selbst massiv von den Anleihekäufen der Zentralbank profitiert. Setzt sich Mersch bei der Wahl am Montag durch, würde das auch das Unbehagen der stabilitätsorientierten nördlichen Euro-Länder reflektieren, die die Hilfe für die maroden Südstaaten zu einem erheblichen Teil finanzieren.
Die Franzosen waren diesem Nord-Lager bisher nicht unbedingt zuzurechnen, ihnen winkt aber ein Zuckerl: Die Bundesregierung ist bereit, Paris den Chefposten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) zuzuschanzen, die bisher von Thomas Mirow geführt wird - einem früheren SPD-Politiker. Seine Amtszeit endet demnächst.
Wird es Mersch? Das hängt davon ab, was Landsmann Jean-Claude Juncker künftig tut. Der luxemburgische Premier will den Vorsitz der Euro-Gruppe abgeben - es findet sich aber kein Nachfolger: Der Finne Jyrki Katainen hat im Süden des Kontinents nicht viele Freunde, den Spaniern mangelt es an einem Kandidaten für die Führung der Finanzministerrunde.
Am Ende muss Juncker womöglich weitermachen. Dann aber wäre Mersch der Weg zur EZB versperrt, denn zwei Vertreter des kleinen Großherzogtums an führender Stelle in der Euro-Zone, das wäre selbst aus Sicht der Bundesregierung zu viel - bei aller Sympathie.