Nachfolger für EZB-Chefvolkswirt:Diener vieler Herren

Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen will neuer Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank werden - er hat sich am Samstag offiziell um die Nachfolge Jürgen Starks beworben. Sein Wechsel reißt ein tiefes Loch in die Statik des Finanzministeriums - er hat dort eine steile Karriere hingelegt und galt als unersetzlich.

Claus Hulverscheidt

Wie er da so sitzt in einem Café in Prenzlauer Berg, könnte man ihn glatt für einen der Studenten halten, die in dem Berliner Szenebezirk zu Tausenden unterwegs sind. Das Haar raspelkurz, die Gesichtszüge immer noch jugendlich, die Beine in Jeans. Doch Jörg Asmussen ist schon lange kein Hochschüler mehr, er ist - der englische Titel ist wie immer viel schöner als der deutsche - "Vize-Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland". Und demnächst Chefvolkswirt und deutscher Vertreter im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt.

Jörg Asmussen EZB

Wäre da nicht der schicke Anzug, könnte Jörg Asmussen dank seiner jugendlichen Gesichtszüge auch noch als Student durchgehen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Es ist eine steile Karriere, die der 44-Jährige seit seinem Eintritt ins Bundesfinanzministerium im Jahr 1996 hingelegt hat. In nur zwölf Jahren stieg er vom einfachen Referenten zum Staatssekretär auf, er diente fünf Ministern mit drei unterschiedlichen Parteibüchern und erwies sich ganz offenkundig als so unersetzlich, dass seine Vorgesetzten Peer Steinbrück (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) auch dann an ihm festhielten, als Asmussen der Wind kräftig ins Gesicht blies.

Die politische Linke in Deutschland beschimpft ihn seit Jahren als "Büttel des Kapitals und der Banken", weil der Sozialdemokrat vom Helmut-Schmidt-Parteiflügel frei von ideologischen Zwängen eine wirtschaftsfreundliche Politik betrieb. Viele Konservative hingegen fielen über ihn her, weil er angeblich die katastrophalen Zustände bei der maroden Immobilienbank Hypo Real Estate übersah - und weil er nach Schäubles Amtsübernahme einen Posten blockierte, den CDU und CSU gerne mit einem der ihren besetzt hätten.

Asmussen hat seit Ausbruch der globalen Finanzkrise wiederholt eingeräumt, dass er die Liberalisierung der Finanzmärkte in den vergangenen Jahren vielleicht zu rasch vorangetrieben habe. Allerdings war er wie so viele andere auch Gefangener des Zeitgeistes und führte nur das aus, was so unterschiedliche Menschen wie Steinbrück, Hans Eichel, Gerhard Schröder und Angela Merkel politisch vorgaben.

Auch ist der Vater zweier Töchter kein Neoliberaler, sondern wie sein einstiger Studienfreund Jens Weidmann eher ein überzeugter Marktwirtschaftler. Mit Weidmann, dem früheren Wirtschaftsberater der Kanzlerin und heutigen Präsidenten der Bundesbank, hat er auf dem Höhepunkt der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 vermutlich mehr Zeit verbracht als mit seiner Frau. Demnächst werden beide im EZB-Rat sitzen, der eine als Repräsentant der nationalen Notenbank, der andere als Chefvolkswirt der Euro-Behörde - aufmerksam beäugt von Weidmanns Vorgänger Axel Weber, der beide einst als Ökonomieprofessor an der Universität Bonn unterrichtete und von Asmussen später als Bundesbankchef vorgeschlagen wurde.

Asmussens Wechsel reißt ein tiefes Loch in die Statik des Finanzministeriums, was vermutlich nicht einmal seine Kritiker bestreiten werden. Andererseits eröffnet die Rochade Schäuble die Möglichkeit, einen Nachfolger aus dem - aus Unionssicht - "richtigen" politischen Lager zu berufen. Asmussen indes wird in Zukunft wohl nur noch selten in Prenzlauer-Berg-Cafés auftauchen, denn er wird nach Frankfurt umziehen müssen. Dass ihm das privat gelegen kommt, darf man getrost bezweifeln. Andererseits kann er künftig gemeinsam mit seinem Ex-Kommilitonen Weidmann, mit dem er sich duzt, die deutschen Belange im EZB-Rat vertreten. Weidmann, so viel ist sicher, wird's freuen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: